In dieser Kategorie werden Startups in Form eines redaktionell erarbeiteten Artikel vorgestellt.

 

Duschbrocken – sympathische Startup-Gründer aus Stuttgart

Immer wieder freut man sich über lokale Erfolgsgeschichten, die nationale Bekanntheit und Größe erlangen. So haben auch Johannes Lutz und Christoph Lung den schwäbischen Erfinder- und Startup-Geist in die Welt hinausgetragen und sind jüngst in DER Startup-Sendung im deutschsprachigen Raum, in „Die Höhle der Löwen“, aufgetreten und konnten einen erfolgreichen Deal mit dem Löwen Ralf Dümmel erzielen.

Die beiden Gründer haben sich auf Reisen getroffen und nach einer ausgelaufenen Shampooflasche beschlossen, ein festes Shampoo in Form einer Seife, die aber keine Seife ist, zu produzieren und die auf Plastiktuben sowie die Nachteile des „alten“ Seifenstücks verzichtet.

Vom ersten Prototyp zur erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne

Unter dem Motto „Fest ist the best“ und „flüssig überflüssig machen“ tüftelten sie an dem Rezept für ihre 2-in-1 Dusch- und Shampoo-„Seife“ herum, um nach 20 Prototypen an ihrem finalen Ergebnis festzuhalten.

Nach der Pilotphase, in der die Seife in der eigenen Produktion mit einer Pizzateigmaschine hergestellt wurde, werden die „Duschbrocken“ inzwischen aufgrund der explodierten Nachfrage in zwei Seifenmanufakturen in Deutschland und Österreich hergestellt.

Nach ihrem rasanten Erfolg und einer sehr erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne wurden Johannes und Christoph von der Erfolgssendung „Die Höhle der Löwen“ kontaktiert, um dort mitzumachen. So erzählte uns Johannes, dass sie nach der Einladung nur eine Woche Zeit hatten um sich auf das „Casting“ vorzubereiten. Um nicht nur bei den harten Zahlen und Fakten sicher zu sein, sondern auch beim Pitch, bot das Team von VOX Unterstützung in Form eines Unternehmensberaters, der die Story nochmal von außen beleuchten und Tipps für den Pitch geben sollte.

Johannes Lutz & Christoph Lung, die beiden Gründer von „Duschbrocken“

Die Aufzeichnung zu „Die Höhle der Löwen“ – Blick hinter die Kulissen

Da die Aufzeichnung in Köln war, begab sich das Gründerteam für einen langen Drehtag gen Norden mit der Absicht, den Duschbrocken einem nationalen Publikum vorzustellen.

Höchstkonzentriert durchliefen sie Briefings durch das TV-Team, welches Sie den ganzen Tag betreute.

Der Dreh selbst dauerte insgesamt etwa zwei Stunden. So wurden die Gründer nach ihrem Pitch für etwa 1 ¾ Stunden von Fragen der Jury durchleuchtet – weit mehr als man im Fernsehen immer in der zusammengeschnittenen Fassung zu sehen bekommt. Da die Löwen jedoch im Vorfeld keine Infos zu den pitchenden Startups bekommen, ist die Länge der Fragen vor einem Investment auch verständlich.

Duschbrocken bei „Die Höhle der Löwen“ am 21.04.2020

Insgesamt waren Johannes und Christoph sehr zufrieden mit Ihrem Auftritt und konnten sich über einen Deal mit ihrem „Traum-Löwen“ Ralf Dümmel freuen. Sein breites Wissen und Netzwerk für den Vertrieb über Einzelhandelsketten und andere Vertriebswege ebnet den Weg für den Duschbrocken in vielen Läden.

Ausbau der Kapazitäten

Das Wachstum, von 100 bis 150 Duschbrocken pro Tag auf inzwischen mehrere tausend Duschbrocken/Tag, welche inzwischen in zwei Seifenmanufakturen in Deutschland und Österreich hergestellt werden, ist wirklich sehr bewundernswert. Doch ist bei den Gründern merklich der Boden unter den Füßen „hängengeblieben“, denn die Brocken werden weiterhin mit viel Liebe zum Detail in ihrer „Schaumstation“ verpackt und zu den Kunden CO² neutral versendet. Hierbei zählt die Nähe zum Kunden als einer der Hauptstärken des Unternehmens. Diese ermöglicht die hohe Individualisierung und führt zu der hohen Kundenzufriedenheit und zu Wiederholungskäufern, welche auch den Löwen imponierten.

Traum-Löwe Ralf Dümmel beim Test des „Duschbrocken“

Wirtschaftlicher Erfolg, so Johannes, kommt durch zufriedene Kunden. Nur wenn ein Mehrwert dem Kunden geliefert werden könne, habe ein Unternehmen langfristig eine Zukunft.

Tipps für Unternehmensgründer

Anderen Unternehmensgründern legt Johannes ans Herz, unkompliziert und unbürokratisch zu denken. Alle administrativen Tätigkeiten bieten keinen sofortigen Mehrwert – der Fokus muss zunächst auf dem Produkt liegen. Auch weil dieses Mantra in Deutschland nicht immer leicht umzusetzen ist, lohnt es sich, sobald das Produkt steht, externe Profis wie Rechtsanwälte, spezialisierte Steuerberater wie den „Startup Steuermann“ Tobias Sick von HWS oder Profis für den Online-Shop (um auch dem Ansturm nach der TV-Ausstrahlung gewachsen zu sein) mit an Bord zu holen und bestimmte Aufgaben abzugeben und auszulagern.

Durch ihren Auftritt bei der Höhle der Löwen mit mindestens 2 bis 3 Millionen Zuschauern hoffen die beiden Duschbrocken-Gründer ein weites Publikum zu erreichen und von in ihrem neuen Online-Shop zu überzeugen. Die Duschbrocken wird es daneben ab sofort auch flächendeckend im Einzelhandel zum Kauf geben.

Die Duschbrocken im Einzelhandel nach der DHDL-Show

Mit dem Duschbrocken treffen die Gründer exakt den Nerv der Zeit – indem Sie darauf achten, ihre Produkte frei von Plastik, nachhaltig und vegan herzustellen. Neben diesen Zielen war es für die Gründer aber ebenso wichtig, dass sich der Duschbrocken gut anfühlt, sehr gut riecht und vor allem beim Duschen viel, viel schäumt!

Wir wünschen dem sympathischen Stuttgarter Startup weiterhin sehr viel Erfolg!


Text: Colin Lieb
Bilder: Johannes Lutz


Spoontainable produziert nachhaltiges und sogar essbares Besteck

„Wir konnten letztes Jahr über eine Million Löffel verkaufen und dadurch einen wirklich guten Markteintritt hinlegen“, berichtet Amelie Vermeer, Geschäftsführerin von Spoontainable. Löffel verkaufen? Ja, aber nicht etwa aus Edelstahl oder Silber. Es sind nachhaltig produzierte und gleichzeitig essbare Löffel für den Eisgenuss.

Spoontainable nennt sich das Startup, das an der Universität Hohenheim seinen Anfang nahm. Der Name ist ein Portmanteau aus Spoon (Löffel) und Sustainable (nachhaltig). Er klingt aber auch nach Entertainment und Spaß, kurzum: nach Nachhaltigkeit, die genussvollen Spaß erlaubt.

„Spoonie choc“ und „Spoonie classic“. Wer könnte dazu schon nein sagen? Doch die Eisdielen bleiben angesichts der Corona Pandemie natürlich auch in Deutschland erst mal geschlossen. Das trifft das Geschäftsmodell von Amelie Vermeer und Co-Gründerin Julia Piechotta mitten ins Herz. Die jungen Frauen nehmen es gelassen: „Wir machen das Beste daraus. Derzeit sind wir mitten im Umzug mit unserem Geschäft nach Heidelberg.“

Iss mich, ich schmecke lecker und bin nachhaltig  

„Wir wollen der Anbieter für nachhaltiges Einwegbesteck und -geschirr werden und damit die To-go-Branche revolutionieren“, sagt Jungunternehmerin Amelie. So sehr den engagierten Gründerinnen die Corona Pandemie einen Strich durch dieses Geschäftsjahr machen dürfte, so sehr dürfte ihnen das Plastikverbot, das nächstes Jahr für Einmalplastik gilt, positiv in die Hände spielen. 

Also nicht nur Löffel? „Wir sind da noch im Prozess. Der Unternehmensname könnte sich also nochmal ändern“, verrät Amelie. Doch das werde sich herausstellen, wenn sie weitere Produkte auf den Markt bringen. All das gelte es dann zu planen. „Die Spoonies sind unsere erste Marke. Und je nachdem, zu welchem Zeitpunkt wir weitere Besteckteile produzieren, kommen noch weitere Marken dazu.“

Wie steht es mit der Hygiene? „Man kann unsere Produkte mit den essbaren Waffeln vergleichen, die die Eisdielen ausgeben“, so Amelie. Im Übrigen seien die Spoonies in 500er Verpackungen abgepackt und vorschriftsmäßig einmal in einer Folie umgeschlagen.

Gleiche Interessen und Arbeitsauffassung

Amelie und Julia kennen sich seit ihrem Masterstudiengang Management in Hohenheim, den sie beide vor wenigen Wochen abgeschlossen haben. Bei Spoontainable haben sie die Aufgaben gut verteilt; Julia konzentriert sich auf Marketing und Finance, Amelie auf den Vertrieb und die Produktionskommunikation.

Wieso haben die beiden überhaupt gegründet, statt einem sicheren Job nachzugehen? „Wir sind in Hohenheim zu einer Projektgruppe hinzugestoßen, in der es darum ging, Alternativen zu Plastik zu entwickeln. Uns beiden hat das sehr viel Spaß gemacht. Zudem sind Julia und ich Menschen, die etwas anfangen und es dann auch gerne richtig machen.“ Deshalb haben die beiden Studentinnen das Projekt kurzerhand fortgesetzt, ein „super funktionierendes“ Rezept entwickelt für einen essbaren Löffel, ein Patent angemeldet und dann die Firma gegründet.

„Wir sind da mit der Zeit einfach reingepurzelt“, schmunzeln sie. Damit stand auch bald die Entscheidung, es mit einem Alleingang zu versuchen und den neben dem Studium ernsthaft zu verfolgen. „Es lief tatsächlich super an, und wir hatten so tolles Feedback, dass wir uns nach dem Studium jetzt komplett selbständig gemacht haben“, bilanziert Amelie. 

Straffes Zeitmanagement und gutes Team

Die größte Herausforderung für die beiden Frauen war die Zeit. „Als wir kurzerhand beschlossen hatten, die Firma großzuziehen, brauchten wir ein richtig gutes Zeitmanagement, da wir darüber hinaus noch in Vollzeit studierten und zudem noch Nebenjobs hatten.“ 

Das sei sehr anspruchsvoll gewesen, funktioniere aber mit einem guten Team. „Man hat halt weniger Freizeit als die Kommilitonen“, resümiert Amelie und fügt lachend hinzu: „und wie vermutlich fast jedes Startup hatten wir natürlich Finanzierungsprobleme.“ 

Spoontainable ist komplett eigenfinanziert. Eine Crowdfunding Kampagne haben sie vor zwei Jahren gemacht und dabei rund 12.000 Euro gesammelt. „Das hat uns am Anfang sehr geholfen, weil allein Patent, Anwaltskosten und Gründung ordentlich Geld verschlucken“. Seitdem tragen sie sich über ihre Umsätze, zahlen sich bisher noch nichts aus. „Aber das kommt dann natürlich mit der Zeit“, zeigen sich beide zuversichtlich. Die schwarze Null jedenfalls haben sie erreicht.

Und wie soll es weitergehen? Auch da sind die Gründerinnen ambitioniert. Letztes Jahr konnten sie über eine Million Löffel verkaufen und somit einen wirklich guten Markteintritt hinlegen. Diesen Erfolg wollen sie jetzt weiterverfolgen. „Vielleicht ab Sommer“, hoffen beide.

Probleme lösen, ohne neue zu kreieren

Was macht die beiden so sicher, dass ihre Erfolgskurve steil nach oben verläuft? „Wir haben als USP, Unique Selling Point, dass wir nicht nur essbares Besteck herstellen, sondern auch nachhaltiges“, betont Amelie und erklärt, Spoontainable verwende Reststoffe der Lebensmittelindustrie, also Produkte, die üblicherweise weggeworfen werden. „Wir upcyceln diese Reststoffe und machen daraus unsere Spoonies.“ Wer ihr Besteck nicht essen wolle, könne es guten Gewissens einfach wegwerfen. Weder zum Schaden der Umwelt, noch sei es Lebensmittelverschwendung. 

Was den Gründerinnen von Spoontainable besonders wichtig ist: „Wir provozieren kein neues Problem. Im Gegenteil. Wir gehen zwei Probleme gleichzeitig an und lösen sie.“ Außer dass sie dem Plastik als Essgeschirr den Kampf angesagt haben und eine essbare Lösung aus Reststoffen anbieten, gleichen sie ihren CO2 Ausstoß nach eigenen Aussagen komplett aus. Zudem sind die Produkte vegan. Einer der Spoonies ist auch glutenfrei. „Wir versuchen wirklich, die komplette Lieferkette so nachhaltig wie möglich zu gestalten.“

Skalierbare Rezepte und einfaches Erfolgsrezept

Das Ziel ist klar definiert: Mit Spoontainable wollen Amelie und Julia der Anbieter Nummer eins für nachhaltiges Einwegbesteck werden und mit Löffeln, Gabeln, Messern, Rührstäbchen und vielleicht sogar Geschirr dafür eine breite Produktpalette aufbauen. 

Die Grundrezepturen aus Kakaoschalenfasern und Haferfasern sind gleichfalls erweiterbar. Doch die beiden Gründerinnen wollen sich nicht verzetteln, konzentrieren sich derzeit auf ihre Spoonies mit zweierlei Geschmacksrichtungen, der neutralen und der mit leichtem Kakaogeschmack.

„Das wichtigste ist meiner Meinung nach wirklich das Team – dass es sich so gut es geht ergänzt und dass man mit dem Team auch wirklich durch alle Phasen, auch die schwierigen, gehen kann“, sind sich Amelie und Julia sicher.

Außerdem sei es wichtig, in jeden Wettbewerb zu gehen, der sich anbiete. „Nutzt jede Möglichkeit, um Eure Idee vorzustellen“, so der Rat. Amelie und Julia haben letztes Jahr an sehr vielen Wettbewerben teilgenommen. „Das Feedback und die ganze Medienaufmerksamkeit, die man da bekommt, das ist wirklich sehr wertvoll.“ Die beiden Gründerinnen haben nicht nur teilgenommen, sie konnten auch häufig gewinnen, wie ein Blick auf die vielen Pokale und Urkunden im Regal ihres neuen Büros verrät.

Momentan sind sie wieder zu zweit, nachdem sie zwischenzeitlich einen Praktikanten bei sich hatten. Aber sobald die Krise vorbei ist, wollen sie ihr Team ausbauen.

Text: S.Roeder
Bilder: Amelie Vermeer


Online Expertise von Experten im Minutentakt

Was tun mit dem alten „Schinken“ der Großeltern? Kann man das Ölgemälde vielleicht zu Geld machen? Wenn ja, was könnten es wert sein? Solche und andere Fragen landen auf dem Schreibtisch von Andreas von Brühl. Der 33 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftler von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg hat deshalb als Ergänzung zu seinem Auktionshaus noch ein online Startup gegründet – mit dem Namen estimando, was soviel wie ‚zu schätzen / einzuschätzen‘ bedeutet und somit schon aussagt, was es mit der Plattform auf sich hat.

„Wenn es um Kunst und Antiquitäten geht, gibt es mittlerweile auf ziemlich jedem TV Sender ein eigenes Format“, weiß Andreas. Der Gründer ist selbst demnächst in der RTL Sendung „Kitsch oder Kasse“ zu sehen. Das sei gut für seine neu gegründete Plattform estimando, weil es Aufmerksamkeit für ihn und sein Wirken mit sich bringe. Der Jungunternehmer mit dem Auktionshaus von Brühl im Stuttgarter Westen, das er seit mehr als fünf Jahren betreibt, hat aufgrund der vielen Anrufe und E-Mails an sein Haus erkannt, wie wichtig ein Multikanal-Ansatz auch für seine Branche ist. Schon seit 14 Jahren ist Andreas selbständig, so dass ihm das Startup estimando keinen Schweiß mehr auf die Stirn treibt. Der Vater von bald vier Kindern weiß, worauf er sich eingelassen hat.

Auf Nachlassauflösungen spezialisierter Quereinsteiger

„Wir haben beschlossen, uns auf Nachlassauflösungen zu spezialisieren“. Es gehe ihm darum, Menschen zu helfen, ihre Wertobjekte zu einem fairen Marktpreis zu verkaufen. Mit estimando gelinge es ihm, Experten, Verkäufer und Käufer zusammen zu bringen – zu reellen Konditionen. Seine Expertise erhält ein Antragsteller binnen zwei Tagen – für eine Gebühr von 19 Euro. Je präziser die Angaben von Kundenseite, desto besser können die Experten ihre Expertise erstellen. Andreas kooperiert mit Experten aller Fachrichtungen. Den für ein Objekt jeweils am besten geeigneten Experten sucht der estimando spezifische Algorithmus heraus.

Während seines Studiums hin zum Bachelor of Arts hatte Andreas noch keine Erfahrung mit Kunst. „Den ersten Berührungspunkt hatten wir, als wir ein Haus kauften, das noch komplett voll war mit Gegenständen“, erzählt er und erinnert sich, dass er als kleines Kind immer mal wieder auf einen Flohmarkt mitgenommen wurde. „Aber eigentlich bin ich ein Quereinsteiger.“

Think local, act global

„Mein bester Kumpel und der Entwickler der estimando Site ist vor zehn Jahren nach Brasilien ausgewandert“, erzählt Andreas. So stand unmittelbar fest, dass der Ansatz und Anspruch ein internationaler sein würde. „Eigentlich wollten wir die .com Adresse für estimando, um diesen globalen Ansatz gleich zu unterstreichen. Aber die war schon belegt.“ Deshalb die Adresse estimando.de, die zunächst nur auf Deutsch erscheint. Man habe aber durchaus den Ansatz, das Ganze recht schnell auch international anzubieten.

Der Name sollte außer dem Hinweis, worum es geht, vor allem auch cool klingen, international und nach Startup – siehe Zalando. Ein Vergleich, den Andreas nicht scheut, denn er sieht viel Potenzial für sein Geschäft. Als Inhaber seines Auktionshauses hat er schnell festgestellt, dass hier eine Marktlücke klafft.

Verbindlichkeiten schaffen

Täglich bekommt er 50 bis 100 Anfrage, telefonisch, per eMail oder über WhatsApp. „Ganz viele dieser Personen wollen ein Preisangebot“, berichtet er und merkt an, oft habe er geantwortet, erhalte aber häufig keine Rückmeldung, zumal die Fragenden sich gerne gleichzeitig an mehrere Auktionshäuser richten. Diese mangelnde Verbindlichkeit, die nur Zeit frisst, wollte er ändern. So kam es zur Idee für sein Schätzportal.

„Ich merkte, die Leute wollen eine unabhängige Meinung, und die wollen sie sehr schnell – und am besten kostenlos oder günstig“, so der Unternehmer. Der beschloss, diesen Service für ein geringfügiges Entgelt anzubieten. Der Vorteil seiner Plattform liege darin, dass Experten weltweit die eingehenden Anfragen beantworten können. „Der Kunde erhält rasch Antwort und zwar von einer qualifizierten Person.“ Jemand, der sich in einem Bereich auskenne, könne binnen Minuten eine Beschreibung vornehmen. „Von wo aus auch immer, etwa vom Strand oder von einem Kreuzfahrtschiff aus.“ Das garantiert maximale Flexibilität für seine schätzenden Kooperationspartner. Andreas ist sich sicher, dass seine Plattform für alle Beteiligten attraktiv ist – für Kunden, Experten und letztlich auch für ihn selbst als Betreiber.

Expertennetzwerk für Expertisen

Jemanden zu nehmen, der sich in der spezifischen Materie nicht auskenne, sich dann erst mal stundenlang einlesen und recherchieren müsse, bevor er antworten könne, habe keinen Sinn. „Ich brauche schon Leute, die wirklich Experten auf ihrem Fachgebiet sind. Sie erstellen diese Expertisen für die Anfragen, die bei uns auflaufen.“ Das Ziel des Portals estimando sei es, diese zwei Menschen zusammenzubringen, den Ratsuchenden und den jeweiligen Experten. Andreas ist zuversichtlich, dass er rasch ein weltweites Netzwerk von 200 bis 300 Experten für Kurzexpertisen, die auch Handlungsempfehlungen für die Kunden beinhalten, zusammengestellt haben wird.

Ganz wichtig ist ihm zu betonen, dass estimando ein unabhängiges Expertenportal ist, ausgelagert vom Auktionshaus und unabhängig von etwaigen Folgeaufträgen. Mit anderen Worten: Der Ratsuchende zahlt seine Gebühr, hat ansonsten keine weitere Verpflichtungen.

Weltweite Standards durch estimando

Das Team von estimando ist klein und strukturiert: Andreas verantwortet Marketing und Vertrieb, Johann Noebels, Freund und Entwickler des Portals, ist erfahrener Gründer mit Sitz in Brasilien, wo er schon viele Startups gegründet hat.

„Es ist die ideale Konstellation fürs Home Office“, berichtet Gründer Andreas und nennt als Beispiel die Kunsthistorikerin Claudia Paula Wunder, die als Expertin ihre Expertisen stressfrei und ohne Beeinträchtigung ihres Tages mit Kleinkind erledigen kann.

Sein Expertenteam wird Andreas sukzessive erweitern – auch Experten für Möbel und andere Bereiche sollen dazukommen. Der Aufbau dieses weltweiten Teams läuft dieses Jahr auf Hochtouren. Zunächst wird das Portal sich an die deutschsprachigen Länder wenden. Danach soll es zusätzlich englisch und portugiesisch vorhanden sein.

Ein Ziel: „Mit unseren Gutachten wollen wir auch weltweite Standards definieren. Die Meinungen der Experten werden solide sein, so dass sie die Ratsuchenden vor einer potentiellen Dummheit oder dummen Entscheidung bewahren“, sagt Andreas und wirbt mit dem Motto von estimando: ‚Werte online schätzen‘ durch ‚Weltweites Wissen vereint auf einem Portal.‘

Kurzum: Sein Portal brauche es, um die Unwissenheit und Unerfahrenheit des Kunden durch Expertenwissen abzufangen. Als Beispiel nennt der Unternehmer Erbschaften, in denen es oft darum gehe, die Werte eines Erbfalls fair zu verteilen und so dabei zu helfen, dass Erbschaftsstreitigkeiten vermeidbar werden. Der Weg dahin: alles in eine Auktion geben und den Erlös entsprechend unter den Erben teilen.

Skalierbarkeit als Geschäftsmodell

Wenn man zu hunderten von Kunden physisch fahren müsse und die Stunde dann mehr als 80 Euro koste, sei das nicht skalierbar. Online dagegen werde ein Schuh daraus.

Deshalb ist Gründer Andreas zuversichtlich, dass er und sein Expertenpool in fünf Jahren Europa, Nord- und Südamerika mit Expertisen für die Kunden versorgen könne. „Ich sehe da ein Potential von mehreren hundert Expertisen pro Tag. Definitiv.“

Auf dem Weg dahin wolle er in diesem und im nächsten Jahr das Wachstum beschleunigen – via Marketing und weiter entwickelte Technologie.

Wer gründen will, sollte…

Viel Einsatz mitbringen. „Für den Aufbau meines Portals bin ich sehr früh morgens aufgestanden, war immer zwischen vier und fünf Uhr früh im Büro, um zwei bis drei Stunden vor dem Arbeitsalltag konzentriert arbeiten zu können“, berichtet Andreas.

Fleiß, Hingabe und Frustrationstoleranz seien unabdingbar für ein erfolgreiches Gründen.

Zudem habe ihm immer geholfen, die Welt im Flugzeug von oben zu betrachten. „Da kommen mir klare Gedanken, und ich habe mir die Frage beantwortet: Was wollen die Leute.“

Nicht zuletzt lautet sein Rat: Wenn man seine Geschäftsidee ersonnen hat, dann müsse man einfach MACHEN. Die Idee dann auch wirklich umsetzen und nicht von Anfang an höchste Qualität fordern – eine typisch deutsche Eigentschaft. „Hat man die Idee dann erst mal auf die Beine gestellt – wie ich mit meinem Portal – dann geht es ans Verbessern, den Feinschliff. Das kommt nach und nach.“

Die eindeutige Botschaft bei estimando: „Wir sind klar auf Wachstum ausgelegt.“ Dadurch, dass Andreas Schritt für Schritt und besonnen vorangeht, klingt das nach einem überzeugenden Erfolgsmodell.

Text: S.Roeder
Fotos: Andreas von Brühl

Startup Koena tec spart Energie für Endnutzer und erhielt Anschubhilfe vom M.Tech 

„Energie einzusparen, ist uns eine Herzensangelegenheit“, sagt Manuel Armbruster. „Das hat letztendlich auch den Ausschlag gegeben, dass wir sagten: Wir wollen in diesem Bereich aktiv werden.“ Manuel ist einer der drei Gründer des Stuttgarter Startup Koena tec. Wie Pirmin Boch und Malcolm Yadack kommt er aus dem Energiebereich. Der Motivationsschub entsprang dem Gefühl der Drei, etwas bewegen zu wollen. Orientierungs- und Starthilfe gab es knapp zwölf Monate lang vom Stuttgarter Accelerator M.Tech

Den M.Tech gibt es seit gut zwei Jahren. In dieser Zeit hat das Team mehr als 50 Gründungsvorhaben bei ihrem Gründungsprozess begleitet. Das Gründungsdatum hat Projektleiter Moritz Stahl genau im Kopf: „Uns gibt es seit dem 14. Juli 2017. An diesem Tag übergab uns Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut auf dem ersten Startup-Gipfel in Stuttgart offiziell die Co-Finanzierungserklärung. Damit war das Programm quasi geboren.“ Das M im Namen steht für den Bereich Mobility und Manufacturing, erklärt der Berater.

Moritz und Manuel von Koena

Das Programm, ein Acceleratoren-Programm, richtet sich an in der Frühphase. Aber nicht an x-beliebige, sondern solche, die Mobilität, Manufacturing und Engineering zum Inhalt haben. „Unser USP ist, dass wir nicht den Ansprüchen eines großen Unternehmens genügen müssen, sondern die Gründer neutral begleiten können. Dabei wissen wir eine breite Anzahl von Partnerunternehmen in unseren Reihen, unser sogenanntes Mobility & Manufacturing Board und das kann Türen öffnen“, unterstreicht Moritz die Vorteile von M.Tech. Wie der Name nahelegt, beschleunigt ein Accelerator die Vorgänge, weil er manch eine Klippe zu umschiffen weiß und über ein großes aktives Netzwerk verfügt.

Netzwerken als A und O

Wie aber fanden Manuel, Pirmin, Malcolm von Koena tec und M.Tech zueinander? „Wir von bwcon, kurz fürBaden-Württemberg connected und einer von derzeit fünf Projektpartnern und Initiatoren des M.Tech und hat die inhaltliche Projektleitung. Die andern Partner sind die Landeshauptstadt Stuttgart, WirtschaftsförderungRegion Stuttgart, TTI GmbH und wizemann.space. Bwcon, wo ich angestellt bin, machen schon seit vielen Jahren Vorgründungs- und Gründungsberatung im Technologiebereich. So haben sich auch Manuels und meine Wege schon relativ früh gekreuzt, nämlich Anfang des Jahres 2016“, erinnert sich Moritz. Manuel hatte damals einen der EXIT Hightech Gründungsscheine des Landes Baden-Württemberg ergattert und kam so mit dem Innovationsdienstleister bwcon in Kontakt. „Als Netzwerk kennen wir natürlich viele Leute, Unternehmen und gute Technologie-Startups, die wir aktiv für das M.Tech Programm ansprechen.“ Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte sich das Gründertrio beim M.Tech über die Homepage bewerben können. „Jeder ist meines Erachtens selbst dafür zuständig, sich Programme oder Acceleratoren rauszusuchen, die zur eigenen Person passen“, meint Manuel. 

Die Wahl der drei ehemaligen Absolventen der Hochschule für Technik in Stuttgart fiel nicht auf das Wizemann Space, in dem M.Tech ansässig ist und dessen mietfreie Nutzung für drei Monate Teil der Unterstützung durch den Accelerator ist, sondern auf den Steyg als Aktionsplattform von Koena Tec. Das hat einen rein praktischen Grund: Das Pendeln zwischen den Büros an der Hochschule und den Coworking Spaces im Steyg war räumlich problemlos möglich. Inzwischen haben alle drei Energieexperten ihre Beschäftigungsverhältnisse an der Hochschule gekündigt, um sich ganz auf Koena Tec konzentrieren zu können. Das Programm beim M.Tech Accelerator haben sie abgeschlossen. „Wir sind im November 2018 eingetreten und jetzt beim letzten Mobility Board Meeting im September offiziell verabschiedet worden. Seit zweieinhalb Jahren sind wir mit dem Studium fertig, hatten aber alle für die Anfangsphase der Selbständigkeit noch einen Job nebenher. Jetzt heißt es: Volle Pulle für Koena“.

With a little Help from M.Tech Accelerator

M.Tech sitzt im Wizemann Space nicht zuletzt, weil es ein Partner im Accelerator-Konsortium ist und in diesem Co-Working Space die Veranstaltungen von M.Tech stattfinden und eben auch Gründer hier arbeiten können. „Im Wizemann zu arbeiten, ist ein Angebot von uns, es ist kein Muss-Kriterium“, erklärt Moritz und fügt hinzu, dieses Angebot rühre nicht zuletzt daher, dass der M.Tech Accelerator Gründungsvorhaben in einer frühen Phase unterstützt. Denn, so weiß der Projektleiter aus Erfahrung: „Manche liebäugeln mit dem Gründungsvorhaben, haben aber auch noch eine feste Anstellung. Das bedeutet: Sie haben gar nicht die Kapazität, Vollzeit an ihrer Gründung zu arbeiten. Denen soll aber auch die Möglichkeit gegeben werden, in einem neutralen Umfeld einen potenziellen Kunden oder Partner zu treffen.“ Im Übrigen sei es ein Grundcharakteristikum des M.Tech Programms, dass man an ihm auch quasi von auswärts teilnehmen könne. „Um an den entscheidenden Veranstaltungen teilzunehmen, muss man nicht dauerhaft vor Ort sein aus Sorge, etwas zu verpassen.“ 

Die Auswahl der Gründungsvorhaben, die M.Tech inhaltlich unterstützt, geht über eine klassische Anfrage seitens der Gründer. „Wenn die Förderlinie und Branchenfokus passen, dann erörtern wir in einem persönlichen Gespräch das beiderseitige Commitment. Also, ob wir einerseits die Anforderungen des Gründungsvorhabens erfüllen können. Wir sind da transparent, versprechen nichts, was wir nicht halten können“, betont Projektleiter Moritz. Genauso schaue man, ob es sinnvoll ist, das ausgelobte Gründungsvorhaben aufzunehmen. 

Generell sei zu beachten, dass sich in der Gründungsphase die Geschäftsmodelle oder Anwendungsfelder von Startups schnell ändern können. „Man muss ein bisschen über den Tellerrand blicken und abwägen, ob die Branche die richtige ist, oder ob das Startup nicht vielleicht zunächst in einem anderen oder nahen Anwendungsfeld schneller Fuß fassen kann. Aber das ist alles ein Prozess, den man im Programm erarbeiten kann“, unterstreicht Moritz mit Nachdruck die Vorteile des Accelerators mit angeschlossenem Mentoring. „Wir können Türen öffnen, durchgehen müssen die Gründer allein.“

Zielsetzung bei M.Tech

Was ist die Zielsetzung des M.Tech Accelerator? Zielgruppe sind Gründungsvorhaben aus dem Mobilitäts- und Produktionsbereich. „Das kann relativ breit gefasst sein, kann Hardware sein, kann Software sein, kann eine Mischform sein. Da sind wir recht flexibel“, beschreibt Moritz die Auswahlkriterien und ergänzt: „Uns geht es darum, den Fit mit den Partnerunternehmen herzustellen“ Logisch, denn je besser das Zusammenspiel mit den Partnerunternehmen, desto höher die potenziellen Synergien für alle Beteiligten. Wesentlich dabei ist, dass die Partnerunternehmen interessant sind für die Gründer, dass sie attraktive Mehrwerte liefern können, Anwendungsfelder liefern können, im Zweifel Kapital liefern können. Und dass die Gründer ihrerseits eine interessante Technologie für die Partnerunternehmen darstellen. Für den M.Tech Accelerator bedeutet dies, „mit unserem Programm Gründungsvorhaben in einer vorwettbewerblichen Phase idealerweise bis hin zur Marktreife hin zu entwickeln.“ Sei es, dass es zur ersten Pilotanwendung im Markt kommt, dass das Startup erste Aufträge erhält oder das erste Kapital akquiriert.

Finanziert wird der M.Tech Accelerator als einer der Startup BW Landesacceleratoren, deren Programm unter anderem vom Wirtschaftsministerium und Geldern des Europäischen Sozialfonds gefördert wird.

Aktuelles Thema: Stabilisieren des Stromnetzes

Was ist das Geschäftsmodell von Koena tec, das M.Tech unterstützt? „Unsere ganz große Vision ist, dass wir mit unserem System das Stromnetz stabilisieren“, sagt Manuel, der bei Koena den Part des Geschäftsführers innehat. Diese Vision steckt programmatisch im Namen des Startup. Denn koena steht hawaianisch für stabilisieren und balancieren. Warum hawaianisch? Ist einer der Gründer passionierter Surfer? „Nein. Auf der Suche nach einem Namen, fanden wir, dass der Name sich einfach gut anhört“, sagt er lachend.

Aus dem Anliegen, grundsätzlich Energie einsparen zu wollen, entstand die Idee, in diesem Bereich professionell aktiv zu werden. Die Idee zu Koena Tec entstand dann Schritt für Schritt. „So ist das meines Erachtens immer bei Ideen. Es war also nicht so, dass wir die Idee hatten: Wir sparen im Gastronomiebereich Energie ein und machen das genau so, wie das Produkt auf dem jetzigen Stand dasteht. Denn ich glaube, man hat nie das fertige Produkt“, erklärt Manuel den Entwicklungsprozess. Gerade deshalb sind Acceleratoren wie M.Tech so wichtig, weil sie mit Rat und Tat zur Seite stehen können.

Wären auch andere Acceleratoren in Frage gekommen? „Klar“, sagt Manuel. Schließlich recherchiere man, wo und wie man mit seiner Gründungsidee am besten weiterkommen könne. „M.Tech war immer schon auf dem Schirm, weil die gut zu uns passen. Aber ich glaube, man muss sich nicht auf einen beschränken. Wir haben auch noch mit ein paar anderen gesprochen. Wenn ein anderer auch gepasst hätte, dann wären es eben zwei gewesen.“ Tatsächlich komme vielleicht bald ein neuer Accelerator bei Koena Tec dazu. „Dazu“, das sagt er ganz bewusst. Man solle den Begriff Accelerator nicht auf die Vorgründungsthematik beschränken. Vom Netzwerk eines Accelerators könne Koena auch weiterhin profitieren. Moritz nickt zustimmend.

Oh-Je-Tage überstehen 

Schon mal überlegt, alles hinzuwerfen, weil der Druck zu groß, die Angst vor der eigenen Courage übermächtig wurden? Manuel schüttelt entschieden den Kopf. Wenn ein Startup eine Gründungsidee hat, dann wolle es das auch mit Commitment vorantreiben. Muss der Accelerator dennoch einen gewissen Erfolgsdruck ausüben? Wiederum Kopfschütteln. „Druck entsteht da von ganz allein“, weiß Moritz. „Jedes gute Startup geht ambitioniert vor. Da müssen wir nicht noch Druck schüren. Wenn wir der ausschlaggebende Hebel wären, dass etwas geschieht, dann würde die Geschäftsidee am Markt relativ schnell untergehen.“ 

Koena Tec sieht sich gut aufgestellt. „Auch im Team haben wir uns sehr gut entwickelt, haben unsere Aufgaben gut verteilt, stehen jetzt wo wir stehen und sind motiviert, weiterzumachen.“ Klar, Momente des Zauderns habe jeder, nach dem Motto: „Oh Gott, was habe ich mir da bloß angetan“? Das, so Manuels Überzeugung,  sei „grundsätzlich auch ein Moment, den man miterleben muss. Aber ich glaube, bei uns war es nie so, dass die Gefahr bestand, dass einer hinschmeißen würde.“ 

Region mit viel Potenzial – „Da kommt noch einiges“

Den Vorwurf, Deutschland kleckere mit Unterstützung finanzieller wie ideeller Art, wo Länder wie die USA, China oder Israel klotzen, will Manuel nicht teilen. Er könne keine Vergleiche mit Ländern wie Amerika anstellen, weil er es nicht selbst erlebt habe. Mit Sicherheit gebe es aber dort wie auch hierzulande Vor- und Nachteile. „Es ist immer leicht, sich zu beschweren. Ich will nicht jammern, das hat keinen Sinn. Zumal ich glaube, dass es uns hier in Stuttgart ganz gut geht. Da wächst etwas heran und da ist in den letzten Jahren auch schon viel passiert und ich glaube, da wird auch in den nächsten Jahren noch viel passieren.“ Kurzum: Koena Tec sieht sich in Stuttgart „in einer ganz guten Umgebung. Das ist wichtig.“

Hat Tipps für andere Gründungswillige parat? „Nun packe ich vermutlich wohl bekannte Phrasen aus. Trotzdem befolgen wir sie bei Koena: Nicht aufgeben! Immer dran bleiben! Einfach machen, wenn man eine Idee hat! Und immer schön fokussiert bleiben!“ 

Text und Foto: S.Roeder

Wem kommt diese Situation bekannt vor? Auf der Suche nach Antworten und Lösungen im Internet, hängt man am Ende (häufig nach mehreren Stunden Suche) frustriert vor dem PC, meist nicht signifikant schlauer als zuvor. Die Gründer von eNerd.me wollen das mit ihrer Idee ändern. Sie sind der Überzeugung, dass in einer Zeit in der Wohnungen, Couches, Autos und Handtaschen miteinander geteilt werden können, es möglich sein sollte den Sharing-Gedanken ebenfalls auf Bildung zu übertragen. Was sich hinter eNerd.me verbirgt und warum sie einzigartig sind hat uns Uli Kaufmann im Interview erzählt…

 

StaStu: Stellt euch bitte mal vor, wer seid ihr und was macht ihr?

Uli: eNerd.me verhilft unseren privaten Nutzern durch individuelle Online-Nachhilfe zu besseren Noten in Schule und Studium. Im Vergleich zur Konkurrenz erfolgt die Nachhilfe dabei von Student an Student, von Student an Schüler oder von Schüler an Schüler. Daher liegen die Stundenpreise deutlich unter denen von etablierten Nachhilfe Anbietern. Es handelt sich außerdem um ein individuelles Coaching – nicht um Lernvideos. Des Weiteren bieten wir die erste ganzheitliche online Lösung, für das Suchen, Finden und Durchführen der Nachhilfe. Diese erfolgt dabei immer online. Um das Workboard zu nutzen, benötigen unsere Nutzer nur einen Browser, da die Online-Nachhilfe webbasiert ist. Zusätzlich gibt es eine Snapshot-App, mit der die Lernenden handschriftliche Notizen digitalisieren können.

Wir bei eNerd.me sind ein junges vierköpfiges Team mit völlig verschiedenen Expertisen und Hintergründen. Das ist auch das was uns auszeichnet: Ali (28) und ich (Uli, 30) als Geschäftsführer sind für Konzeption, Business Development und Finanzen zuständig, Eric (28) ist unser Marketing-Profi und Andreas (28) treibt die Web- und App-Entwicklung voran. Des Weiteren arbeiten wir von drei unterschiedlichen Standorten Stuttgart, Furtwangen und München neben unserer Vollzeitbeschäftigung im SCRUM Vorgehen mit online Tools, beispielsweise unserem Workboard, an unserem Produkt.

So ist ein geschlossenes auf sich abgestimmtes Teamgefüge entstanden, dass für jedes Thema einen Experten als Verantwortlichen besitzt und auf mindestens einen Unterstützer zurückgreifen kann. Wir haben es dadurch geschafft, eine sehr effiziente Arbeitsweise zu entwickeln die auf Vertrauen und Eigeninitiative basiert, in der wir uns ausreichend unterstützen, Wissen austauschen und mit nötigem Organisationstalent alle zeitlichen Richtlinien einhalten.

Die Gründer von eNerd.me beim Elevator Pitch BW

StaStu: Wie kam es zu der Idee von eNerd.me?

Uli: Die Idee ist während des Studiums gekommen: Ali hatte im Vorfeld einer Klausur eine Frage und wollte eine schnelle zielgerichtete Antwort im Internet erhalten. Und wie viele andere Studenten ist ihm aufgefallen, dass es gar nicht so einfach ist, die passende Lösung zu finden. Das ewig lange Suchen nach den richtigen Quellen, beispielsweise von Lernvideos, Fach Foren oder Wissensablagen wie Gute-Frage.net, hat dabei mehr Zeit in Anspruch genommen als das eigentliche Lösen des Problems. Nach Abschluss der Prüfungen kam er gedanklich immer wieder auf diesen offensichtlichen Schmerzpunkt in der aktuellen digitalen Lernwelt. In Gesprächen mit anderen Studenten und etwas Recherche zeigten, dass es nicht nur ihm so geht, sondern Millionen von Schüler und Studenten mit diesem Umstand konfrontiert werden, und das Tag für Tag.

Als entscheidungsfreudiger Macher nahm er sich der Lösung des Problems also selbst an, arbeitete mit mir in einigen intensiven nächtlichen Workshops an der Ausarbeitung von diversen Lösungsansätzen, kontaktiere nebenbei seinen Ex-Kommilitonen Eric und brachte damit den Grundstein für eNerd.me ins Rollen. Wir hatten die gleiche Überzeugung, dass in einer Zeit wo wir Wohnungen, Couches oder Autos miteinander teilen, es möglich sein wird den Sharing-Gedanken auch auf die Bildung zu übertragen. Die Mittel waren alle da, sie wurden nur nicht folgerichtig und effizient eingesetzt. Und so war es an unserem Innovationsgeist sowie Kreativität ein einfaches und sinnvolles Digitalprodukt zu entwerfen, dass nicht nur einfach in der Nutzung ist, sondern Lernerfolge auch wirklich garantieren kann.

 

StaStu: Am 27.04 habt ihr mit eurer Idee den Regional Cup des Elevator Pitch gewonnen und zieht nun ins Landesfinale ein (Gratulation hierzu!!). Was habt ihr euch als nächstes für eNerd.me vorgenommen?

Uli: Vielen Dank. Wir sind natürlich sehr glücklich mit unserem Produkt, dass einige Zeit der Entwicklung, des Testens sowie Qualitätsmanagements in Anspruch genommen hat, nun stolz den Nutzern sowie auf solchen Startup-Wettbewerben präsentieren zu dürfen und entsprechende Rückmeldung zu bekommen.

Unser wichtigstes Ziel ist natürlich eine Markenbekanntheit zu erschaffen, unter Berücksichtigung der gegebenen Mittel sowie Kapazität. Wie viele andere Startups haben wir eine tolle Lösung für ein aktuelles Problem entwickelt und müssen nun die nötige Aufmerksamkeit generieren, damit die Nutzer vom Mehrwert unseres Lösung erfahren. Dafür sind Pitches oder andere Wettbewerbe immer eine tolle Gelegenheit sich zu zeigen und das Produkt vorzustellen.

Auf der anderen Seite sind wir als digitales Produkt und online Begeisterte davon überzeugt, dass die Bewusste Nutzung des technologischen Fortschritts viel Gutes mit sich bringt, weshalb wir versuchen so viel online Präsenz wie möglich zu generieren, indem wir mit Influencer, Blogs, geringer online Werbung, Affiliate Partnern sowie der organischen Suche so nah wie möglich an der Zielgruppe, bestehend aus Schülern ab 13 Jahren sowie Studenten, sein möchten.

Aber auch der intensive Austausch mit Lehrkräften, sei es an Schulen oder Professoren von deutschen Universitäten, sowie den Eltern unserer Schüler ist für uns ein großes Anliegen. Das wichtigste Ziel, dass wir mit eNerd.me erreichen werden ist, dass bestmögliche online Produkt mit dem Lernen auf digitalem Wege möglich ist, anzubieten. Daher ist es uns eine Herzensangelegenheit den Kontakt mit den Personen zu suchen, die von der Bildung betroffen sind oder dort die Experten darstellen. Nur als eine gemeinsame Community werden wir das “Lernen von heute” möglich machen.

 

StaStu: Einmal salopp gesagt: Lernhilfe gibt es heute wie Sand am Meer – auch in Online Bereich. Warum seid ihr einzigartig? Was macht ihr anders als andere Lernplattformen?

Uli: eNerd.me ist die Lösung eines aktuellen Problems in bestmöglicher Umsetzung hinsichtlich Technik, Einfachheit sowie Bedienbarkeit. Unser Ziel ist eine faire und offene Lerncommunity zu erschaffen, die unseren transparenten C2C Marktplatz zur online Nachhilfe nutzt, während die beiden Lernpartner sich dabei auf das Wesentliche, die Weiterbildung, konzentrieren können.

eNerd.me ist daher das einzige ganzheitliche System das auf effizientester Art und Weise die Suche und Vermittlung von zwei Lernpartnern, die online Durchführung, die Abwicklung der Rechnung sowie Bezahlung ermöglicht. Nachdem wir von einem bewussten Einsatz der Technologie überzeugt sind, haben wir daher auf unserer innovative Lernplattform alles vereint, was Schüler und Studenten zum sinnvollen online Lernen benötigen. Unsere Snapshot-App beispielsweise bringt analoge Schriftdokumente in das digitale Workboard, sodass ich ohne Hürden die digitalen Welt mit meiner Lernumgebung verknüpfen kann.

Auch steht bei eNerd.me stets der Anwender im Vordergrund. Diesen Grundsatz haben wir von Tag 1 in unserer DNA verewigt, begonnen mit der förmlich direkten Ansprache in all unseren Inhalten, hinzu dem stetigen Hinterfragen der bisherigen Entwicklungen in Form von Rücksprachen mit einzelnen Anwendern. Wir haben ein Produkt umgesetzt, dass sich am Anwender orientiert und nicht anders herum, denn wir möchten mit eNerd.me aufzeigen, dass Lernerfolge mit reiner digitalen Bildung möglich und sinnvoll sind. Diese Tugend leben wir in kurzen Entwicklungszyklen sowie der größtmöglichen Flexibilität auf Wünsche oder Anregungen der eNerd.me Lerncommunity zu reagieren.

Und der bisherige Erfolg gibt uns recht. Ohne einen Cent für Marketing ausgegeben zu haben, sind bereits mehr als 150 Nutzer auf der Plattform aktiv, viele davon im 50/50 Verhältnis Schüler und Coach, also als Lernanfrager sowie Lernwissender. Das macht uns sehr stolz und bestärkt uns in unserem bisherigen Vorgehen sowie Lösungsansätze.

Nachhilfe revolutionieren – das ist die Vision des Teams von eNerd.me

StaStu: Auf eurer Homepage habe ich gesehen, ich könnte mich online auch als Coach bewerben. Kann jeder Coach werden? Wie stellt ihr die Qualität der Coaches sicher?

Uli: Das ist richtig, eNerd.me bietet jeder Privatperson mit einem akademischen Hintergrund die Möglichkeit durch eine kostenlose Anmeldung als Coach zu nutzen. Im Zuge der Registrierung, die auch hier den Gedanken der größtmöglichen Einfachheit verfolgt, benötigt es einen akademischen Nachweis bspw. Zeugnis, Immatrikulationsbescheinigung oder Ähnliches, dass wir zu einer manuellen Prüfung der Registrierung nutzen. Das bedeutet jeder Coach durchläuft einen kurzen Check von uns, bevor er in seine erste Lern-Session stürzen darf. Nach Prüfung löschen wir natürlich alle digitalen Nachweise, da wir keinerlei Datensammlung über unsere Nutzer anhäufen möchten oder dürfen.

Zusätzlich wird ein Coach nach jeder Nachhilfe-Session von seinem Schüler bewertet, sofern der Schüler dies denn möchte. Diese Bewertung ist im Coach-Profil für alle eNerd.me Nutzer sichtbar und hat maßgeblichen Einfluss auf die kommende Buchung sowie das Level des Coaches. Wir möchten dadurch der Lern-Community die Möglichkeit bieten, schwarze Schafe selbst auszusortieren und ein gehobenes Qualitätsniveau zu kreieren, während das Level eines Coaches dessen maximal Preis pro 45 Minuten bestimmt. Wir haben uns damit bewusst gegen ein freies Marktplatzmodell entschieden, indem wir in die Festlegung der Preise pro 45 Minuten eingreifen und mit 4 verschiedenen Level, die Qualität der Coaches steigern und monetäre Anreize setzen, die bestmöglichen Lernsession mit den jeweiligen Schülern durchzuführen.

Zu guter Letzt ist uns der Wunsch der Schüler nach Beständigkeit mit einem Lernpartner bewusst, daher hat der Schüler die Option bei einem Rating von größer 4 Sterne (1 Stern ist das schlechteste, 5 Sterne das maximale an Bewertungen) mit dem Coach befreundet zu sein, wir nennen dieses Vorgehen Lernbuddys werden. Dadurch können Schüler und Coach noch einfacher Lernsession buchen und am Wissenserfolg des Schülern arbeiten.

Gute Qualität zu liefern und dem Lernpartner im bestmöglichen Sinne weiterzuhelfen, wird daher entsprechend Belohnt und von unseren Coaches dankend angenommen. Wir haben von unseren Beta-Schülern übrigens oft den Hinweis bekommen, dass die Lernqualität eine hervorragende auf unserer Plattform sei, was uns natürlich sehr freut und zeigt, dass unsere Ideen die richtigen Früchte tragen.

 

StaStu: Wie verdient ihr mit eNerd.me Geld?

Uli: Wir finanzieren uns momentan mit einer 15% Servicegebühr von 15% pro Nachhilfesession. Dies ermöglicht uns einen klaren Preisvorteil gegenüber der Konkurrenz, da unsere Lerncommunity weder Abonnements zur Nutzung des Produkt benötigt und auf ein faires Preismodell zurückgreift. Es wird nur für das gezahlt, was auch wirklich an Lernhilfe bezogen wurde. Zusätzlich möchten wir unsere Nutzer im Lernprozess weiter unterstützen, indem wir gerne Lernprodukte anbieten würden, wie Übungsaufgaben oder aber auch Fachliteratur für die speziellen Themen.

Außerdem haben wir bereits einige Rückmeldungen von Unternehmen bekommen, die gerne eNerd.me als White-Labeling Lösung für dessen interne Wissens- und Weiterbildungsprozesse integrieren würde. Sprich wir bieten unsere skalierbare Technik in Form von Lizenzen und können aufgrund der modularen System-Entwicklung recht einfach das Layout anpassen und neues Features implementieren. Das ist für beide Seiten eine sehr tolle Gelegenheit, da wir somit unser Produkt weiterentwickeln und Einnahmequellen ohne Belastung der Community kreieren, während Unternehmen mit sehr schnellen, flexiblen und kostengünstigen Prozessen unsere Technik  als eKollaborationsplattform verwenden.

Wir haben viele Optionen der Monetarisierung entwickelt und werden diese auch nach und nach umsetzen. Unser langfristiges Ziel ist es nämlich, die Servicegebühr für unsere Nutzer abzuschaffen.

 

StaStu: Euch gibt es nun seit 2017 – sozusagen noch ganz frisch am Markt. Was sind eure Pläne für die kommenden 5 Jahre?

Uli: Unser Vorhaben und Leidenschaft mit eNerd.me lässt sich in einem Satz zusammenfassen:

Wir bei eNerd.me werden in den kommenden 5 Jahren den Status Quo eines teuren und veralteten Nachhilfesystems brechen, indem wir eine einen fairen und transparenten C2C-Marktplatz für online Nachhilfe schaffen, der Vergleichbarkeit und ein völlig neues Preisniveau ermöglicht.

Unsere Start-up soll nicht nur Schülern und Studenten in Deutschland helfen – Ziel ist, dass wir zeitnah eNerd.me auch in anderen europäischen Ländern anbieten:

Wir möchten, dass möglichst viele Menschen von unserem Produkt profitieren und eNerd.me als die beste und einfachst Möglichkeit zur Problemlösung sehen.

 

StaStu: Wie ist eure Erfahrung als Gründer in der Region – wird es einem in der Region Stuttgart leicht gemacht?

Uli: In Stuttgart gibt es einige Programme und Möglichkeiten, die Gründern zur Verfügung gestellt werden. Dennoch könnte es an der ein oder anderen Stelle etwas einfacher sein, relevante Kontakte zu knüpfen, die Start-ups in allen möglichen Richtungen unterstützen.

Uns freut es aber sehr, dass wir mit den Innovationsgutscheinen des Landes gefördert wurden – dies ist ein positives Beispiel für die Förderung für uns Gründer.

 

StaStu: Zu guter Letzt: Was sucht ihr gerade? Wie kann man euch Unterstützen?

Uli: Alles was die Bekanntheit des Produktes sowie der Verbreitung der Idee unterstützt. Vor allem natürlich ähnliche Pioniergeister, die uns finanziell unterstützen möchten und davon überzeugt sind, dass der deutsche Bildungsmarkt einen digitalen Wandel erfordert. Daher ist das Finden und Entwickeln von ausreichenden finanziellen Strukturen unser größtes Vorhaben für das Jahr 2018.

Zudem freuen wir uns über alle Multiplikatoren, die unsere Idee teilen, uns zu Schulen oder Hochschulen einladen sind oder uns anderweitig mit ihrem Netzwerk unterstützen können.

Des Weiteren suchen wir momentan nach personeller Unterstützung im Marketing (On- sowie Offline) sowie in der Entwicklung. Daher freuen wir uns über jede Bewerbung und Möglichkeit Studenten oder Interessenten spannende Stellen und Projekte für akademische Arbeiten zu bieten.

 

Vielen Dank Uli für deine Zeit und den tollen Einblick.

Für alle anderen gilt, wer sich gerne etwas Geld dazu verdienen möchte oder selbst auf der Suche nach Hilfe ist – schaut doch mal bei den Jungs vorbei.

Regionalen Weinbau der etwas anderen Art stellt die KSK Vintage Winery von Dennis und Sebastian dar. Die beiden waren es leid mit anzusehen, wie im Stuttgarter Stadtteil Rohracker alte Weinberge aufgegeben werden und ein Stück Kulturlandschaft vor den Toren der Stadt verloren geht.  Die Anschub-Finanzierung für das Projekt stemmten die beiden über eine Crowdfunding Plattform und konnten auf diese Art bereits einige Brachflächen wieder zurück in die Bewirtschaftung bringen. Deutschlands erster Crowdfunding Weinbaubetrieb hat uns von Startup Stuttgart natürlich neugierig gemacht. Wir haben uns mit Sebastian getroffen um mehr über das Konzept, ihre Pläne und den Weinbau zu erfahren.

 

StaStu: Hallo Sebastian, könnt ihr euch einmal vorstellen? Wer seid ihr und was macht ihr?


Sebastian: „Wir“ – das sind mein Co-Gründer Dennis und ich haben 2013 die KSK Vintage Winery gegründet. Wir kommen beide ursprünglich aus Rohracker und Weinbau war schon immer Teil unserer Familien. Wir haben lange mit angesehen, wie die alten Weinhänge hier nach und nach aufgegeben werden und wollten daran etwas ändern. Also haben wir beschlossen, statt nur Trauben zu produzieren, unseren Wein selber zu keltern und haben 2014 mit einem Crowdfunding den Grundstein hierfür gelegt. Wir haben auch früher schon  Wein gekeltert, allerdings nur für den Eigenbedarf – inzwischen schaffen wir es nicht mehr, alles selber zu trinken.

Sebastian und Dennis – die Gründer der KSK Vintage Winery

Wie kam es zur Idee die Finanzierung mittels Crowdfunding anzugehen?

Uns war schon zu Beginn klar, dass wir die alten Flächen neu bewirtschaften wollen. Geld für den Ausbau der Weine hatten wir allerdings nicht. Ganz klassisch einen Kredit bei der Bank aufzunehmen kam nicht in Frage: Hätten wir einem Bänker erzählt, dass wir ein Weingut in der Steillagen-Terrasse aus dem Boden stampfen und den Wein in einem gesättigten Markt vertreiben wollen, hätte der sicher gesagt „sucht euch doch lieber einen anständigen Job, das rechnet sich nie“. Wir haben den Businessplan also gar nicht erst vorgelegt, sondern uns über Crowdfunding Leute gesucht, die unsere Idee unterstützen. Von der Resonanz waren wir echt begeistert. Es haben sowohl Leute aus der Region mitgemacht, als auch aus Hamburg, Dresden, München oder Berlin. Das war für uns der finanzielle Grundstein, um die Kosten für die erste Abfüllung decken zu können. Gleichzeitig war es für uns ein hervorragender Marktcheck, um zu schauen, ob ein kleines Weingut in Stuttgart-Rohracker im Premiumsegment überhaupt ankommt und natürlich auch ein Marketing-Schachzug, um auf uns aufmerksam zu machen, bevor der Wein rauskommt – wie gesagt, 4000 Flaschen trinkt man nicht mal eben so alleine aus.

Über das Crowdfunding haben wir schnell gemerkt, dass ein Interesse da, ist die Kulturlandschaft hier zu erhalten und uns zu unterstützen.  Von 105 Unterstützern haben gleich zu Beginn 35 Leute eine Rebstockpatenschaft gebucht – das ist natürlich cool.

 

Wie kann man sich bei euch einbringen und euch unterstützen?

Grundsätzlich kann man sich auf unterschiedliche Arten einbringen. Wer Zeit und Lust hat ist herzlich eigenladen, uns im Weinberg zu unterstützen. Die Teilnehmerzahl ist immer ganz unterschiedlich, mal sind wir 20 Personen ein anderes Mal zu dritt – aber jede Hilfe ist für uns immer großartig.

Die Währung der Stunde ist hierbei die Zeit, die Leute investieren, um uns im Weinberg zu unterstützen. Im Gegenzug versuchen wir Wissen zu vermitteln. Hier haben wir scheinbar einen Zeitgeist getroffen. Viele Leute scheinen in ihrer täglichen Arbeit nicht mehr viel Sinnstiftendes zu sehen und sind unter dem Strich einfach froh, wenn sie Feierabend haben. Am Wochenende sucht man dann häufig nach etwas Sinnvollerem. Hier kommen wir ins Spiel und ich würde sagen es ist eine Win-Win Situation- wir freuen uns über jede helfende Hand und gleichzeitig lernen die Leute etwas über Weinbau, hinter dem weit mehr Arbeit steckt als nur einmal im Jahr Trauben zu ernten. Gerade wenn man auf chemische Unkrautvernichter wie Glyphosat verzichtet, gibt es einfach nur die gute alte Hacke. Und sowas macht in ner netten Truppe dann doch mehr Spaß als alleine. Nach getaner Arbeit haben wir dann immer gemeinsam einen schönen Ausklang bei Vesper und Wein.

Weinberge in Stuttgart-Rohracker

Eine andere Möglichkeit der Unterstützung ist in Form einer Rebstock-Patenschaft. Wer sich nicht die Finger schmutzig machen kann oder möchte, kann eine Patenschaft für einen Rebstock übernehmen. Jeder Pate erhält als kleines Geschenk eine Flasche unseres Premium- Weins und ist über´s Jahr eingeladen, auch im Patenschafts-Weinberg mitzuhelfen. Mit der Differenz, die wir über die Patenschaften einnehmen, decken wir die laufenden Kosten oder können in neue Flächen investieren.

Seit diesem Sommer bieten wir ebenfalls Teambuilding-Events für Unternehmen bei uns im Weinberg an. Bei unserem ersten Event kamen die Mitarbeiter aus ganz Deutschland und sogar USA und haben einen Tag bei uns im Weinberg verbracht. Die Meisten kannten diese Ecke von Stuttgart bisher nicht und waren begeistert ein Stück fast verloren gegangene Weinbau-Kultur aus dem Schwabenland kennen zu lernen und gleichzeitig unser Projekt mit ihrem Firmenausflug zu unterstützen. Es ist eigentlich nachhaltiges Teambuilding – die Firma macht ihren Standort für die Mitarbeiter attraktiv, unterstützt gleichzeitig ein regionales Projekt, alle haben Spaß dabei und lernen sogar noch was.

 

Was habt ihr euch für die kommenden Jahre vorgenommen?

Unser ganz großes Ziel ist es natürlich, die Weinberge hier in Rohracker zu erhalten, Brachflächen wieder zu bewirtschaften und damit die Einzigartigkeit und Ursprünglichkeit des Tals herauszustellen. Wenn wir das schaffen haben wir schon viel erreicht.

Wir haben keine schicke Vinothek, in der wir die Leute bequatschen, warum unser Wein besser ist oder wie der Preis zustande kommt. Dafür hätten wir auch gar keine Zeit. Wer sich dafür interessiert muss mit raus, dahin wo wir am Wochenende sind –  und jeder der einmal zwei Stunden in den Steilhängen mitgearbeitet hat versteht den Mehraufwand, den wir hier betreiben und ist bereit, dafür auch den einen oder anderen Euro mehr zu bezahlen. Unser Ziel ist nicht zu einem ein riesen Weingut zu werden, dafür ist das Tal auch viel zu klein. Wir wollen nur um das wachsen, was wir noch selbst stemmen können.

What a view – Mitten in den Weinbergen von Dennis und Sebastian

Betreibt ihr aktives Marketing um euch bekannter zu machen oder lebt ihr eher vom word-of-mouth?

Unser größter Coup war sicherlich das Crowdfunding – aber den Aktivitäten vor und während der Kampagne darf man auch nicht unterschätzen. Heute greifen wir auf nur auf die kostengünstigen Varianten wie unsere Homepage, Facebook oder Instagram zurück. Große Budgets für Marketing haben wir als Startup natürlich nicht. Es geht vielmehr darum, das wenige Geld gut zu investieren und so z.B. auch die richtigen Veranstaltungen für unser Brand-Building zu finden. Was beispielsweise für uns nicht funktioniert hat, waren große Messen. Das ist zu anonym, mit hohen Standgebühren verbunden und die Leute wollen nicht mit einer Flasche Wein über die Messe laufen. Stattdessen suchen wir uns heute gezielt kleine Events oder Stadtfeste mit der richtigen Zielgruppe, um unsere Bekanntschaft zu erhöhen und gleichzeitig über den Ausschank der Weine zumindest unsere Kosten zu decken.  Zusätzlich organisieren wir noch eigene kleine Events, wie beispielsweise unser Sommerfest – ein Open-Source-Akustik-Konzert in unserem abgelegenstem Weinberg – eigentlich nur per GPS-Koordinaten zu finden und bisher noch ein Geheimtipp unter denen, die den Schritt aus dem Kessel zu uns gewagt haben

 

Habt ihr noch einen Tipp für andere Gründer? Was wollt ihr anderen mit auf den Weg geben?

Mein Tipp wäre, dass man sich immer an das halten sollte was einem Spaß macht und worin man auch gut ist. Wir sind zwei komplett unterschiedliche Charaktere und das ist auch gut so. Dennis ist zuständig für alles, was mit Rechnungen, Zahlen, Bilanzen und Steuern zusammenhängt. Meine Stärken liegen eher im Bereich Vertrieb, Marketing und dem Organisieren von Events. So haben wir das auch aufgeteilt und keiner muss sich mit was rumschlagen, worauf er keinen Bock hat.

KSK – Vintage Winery

Eurer Erfahrung nach, wie eignet sich die Region Stuttgart für ein Startup? Würdet ihr anderen empfehlen hier zu gründen?

Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass sich die Region sehr gut zum Gründen eignet. Es handelt sich um einen wirtschaftsstarken Standort mit einer großen Kaufkraft – was in unserem Fall, wenn man am Ende ein Produkt verkaufen will, natürlich essentiell ist. Auch für die Teambuilding-Events können wir uns über einen Mangel an Firmen mit Standort Stuttgart und unserer Nähe zur Messe mit den ganzen Tagungshotels natürlich nicht beschweren.

 

Was sucht ihr gerade?

Zum einen suchen wir natürlich immer Leute, die Lust haben mal mit anzupacken und dabei was zu lernen. Wir bieten Wissensaustausch gegen Arbeitskraft und Schweiß. Auch im Patenschafts-Weinberg sind noch genug Rebstöcke frei. Und ganz aktuell suchen wir natürlich Kontakte und Ansprechpartner in die Unternehmen der Region, um unsere Teambuilding-Events bekannter zu machen und im Frühjahr/ Sommer 2018 damit durchzustarten.

 

Vielen Dank für den tollen Einblick und das Interview Sebastian.

Liebe Community, wenn ihr am Wochenende mal wieder nichts mit euch anzufangen wisst oder einfach mal mehr über das weiße, rote und rosa Zeug lernen wollt, was man sich Wochenends häufig einverleibt, dann freuen sich Dennis und Sebastian immer über fleißige Helfer.

 

Dennis Keifer & Sebastian Schiller, sind Winzer und alte Sandkastenfreunde aus dem beschaulichen Stuttgart-Rohracker. Während ihrer Ausbildung in renommierten Weingütern der Region und verschiedenen vinophilen Auslandsauf-enthalten wuchs in der Wunsch vom eigenen Wein. Weinberge sind seit Generationen in der Familie – was fehlte, war die Kohle, um das Ding einfach zu starten. Über Deutschlands größte Crowdfunding-Plattform bekamen die beiden von begeisterten Weinfreunden aus ganz Deutschland finanzielle Unterstützung für ihre Unternehmensgründung. Das Projekt ist noch immer online: www.startnext.com/ksk-vintage-winery

 

 

Mit ihrer Lösung zur Indoornavigation wurde das Startup NAiSE aus Stuttgart als Preisträger des bundesweiten Gründerwettbewerbs „Digitale Innovationen“ geehrt.

 

Die Preisverleihung fand auf der diesjährigen IFA in Berlin statt und erfolgte durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die Jury zeichnete dabei Startups aus, die mit innovativen Technologien große Wachstumspotenziale vorweisen können. Insgesamt bewarben sich fast 300 Unternehmensgründungen aus ganz Deutschland für den renommierten Preis.

Als Ausgründung des Instituts für Automatisierungstechnik und Softwaresysteme der Universität Stuttgart konnte sich NAiSE dabei als einer der Preisträger durchsetzen. Gelobt wurden vor allem das Produktkonzept, die Expertise des Teams sowie die hohe Nachfrage nach der Lösung von NAiSE zur Indoornavigation. Neben der offiziellen Auszeichnung erhalten die Gründer ein Preisgeld sowie ein umfangreiches Unterstützungsangebot in Form von Seminaren und Coaching.

Weitere Informationen unter https://www.gruenderwettbewerb.de/preistraeger/preistraeger/runde-1-2017

Quelle Bild: BMWi/Espen Eichhöfer

Synapticon, ein dynamisches, internationales Startup aus der Region Stuttgart, mit weiteren Niederlassungen in Kalifornien und Serbien, entwickelt Soft- und Hardware, die dafür sorgt, dass bisher isolierte und statische Komponenten wie Elektromotoren, Sensoren und andere Geräte miteinander kommunizieren. Startup Stuttgart hat mit einem der Gründer, Nikolai Ensslen, über Meilensteine, Learnings und Bedingungen für Startups in der Region gesprochen.

Startup Stuttgart: Könnt ihr euch einmal kurz vorstellen? Was genau macht Synapticon? So dass es wirklich jeder versteht. Was macht euch gegenüber anderen Einzigartig?

Nikolai Ensslen: Zunächst kurz zu den Gründern. Ursprünglich waren wir ein Trio und kannten uns über die Uni schon privat. Alle drei brachten verschiedene Kompetenzen mit: Maschinenbau, Informatik und Elektronik. Wir hatten uns damals die Industrie angeschaut und festgestellt, dass es zwar seit vielen Jahren schon Roboter in der Industrie und auch in Privathaushalten gab, dass aber der richtig große Durchbruch noch auf sich warten ließ. Also haben wir uns mit dem Thema noch genauer beschäftig um herauszufinden, wo speziell bei den Robotik-Herstellern der Schuh drückt. Dabei fanden wir heraus, dass es zur Planung und Entwicklung eines Roboters vor allem die Steuerung große Herausforderungen mit sich bringt. Hier müssen Komponenten verschiedener Hersteller kombiniert werden, die Software machte Schwierigkeiten, die Kosten waren zu hoch, es fehlten Standards und die Entwicklung war sehr aufwändig. Außerdem waren die zentralen Steuerungssysteme meist klobige PCs und Servoregler, die über viele Kabel mit den Robotern verbunden waren. Und nicht zuletzt war auch der Transfer von Prototypen in die Serienfertigung oft extrem langwierig und teuer. Es gab also viele Blockaden, die eine schnellere Ausbreitung von Robotern verhinderten. Diese Hürden helfen wir zu überwinden, in dem wir einen Bausatz aus Hard- und Software entwickelt haben, der alle diese Herausforderungen meistert.

Startup Stuttgart:Bei euch tut sich viel in letzter Zeit, vor einigen Monaten wurde eine umfangreiche Kapitalerhöhung bekannt, ihr habt eure Struktur neu geordnet, Fokus Themen definiert und euch auch personell deutlich verstärkt. In einem Interview mit der StZ habt ihr einmal den Anspruch geäußert „Synapticon wolle für die Robotik das werden, was Intel für die Computer ist“ (siehe Stuttgarter Zeitung, Artikel vom 03.12.2016). Was habt ihr euch für die Zukunft vorgenommen um dieses Ziel zu erreichen? Habt ihr Tipps für andere Startups was die Suche von Investoren betrifft?

Bei uns geht es nun vor allem darum neue Strukturen in der Firma umzusetzen und diese zu leben. In den ersten Jahren waren viele im Team voll und ganz darauf fixiert immer wieder neues auszuprobieren, arbeiteten auf Zuruf und waren oft gleichzeitig an viele Baustellen aktiv. Auch in der Entwicklung waren wir sehr offen und haben oft versucht herauszufinden, was möglich ist, haben für Kunden sehr unterschiedliche Dinge gemacht. Nun aber müssen, wollen und werden wir zielgerichteter und strategischer arbeiten – auch intern. Wir werden unsere Produkte und Services klarer kategorisieren und standardisieren sowie die Organisation nach einem festen Plan aufbauen. Dazu gehört vor allem auch, dass wir jetzt vermehrt Mitarbeiter für die Bereiche Sales und Support einstellen..

In Sachen Investorensuche raten wir einerseits zu Selbstbewusstsein und andererseits dazu sich selbst vor allem aus wirtschaftlicher Sicht zu hinterfragen. Es sollte Gründern klar sein, dass eine kreative Idee noch lange kein attraktives Investment sein muss. Wer Investoren nicht in einem Satz erklären kann, welche Probleme er löst und warum viele dazu bereit sind, dafür zu bezahlen, der sollte sich nochmals Gedanken machen. Außerdem rate ich dringend zum Blick über den Tellerrand, über die eigene Region hinaus. In Deutschland sind es schon München und Berlin, wo die spannenden Ansprechpartner unterwegs sind, und natürlich im Silicon Valley und Tel Aviv. Aber auch aus Fernost kommt immer besser zugängliches Risikokapital, in der Ecke Shenzhen/Hong Kong trifft man z.B. auf interessante Kontakte. Sitzt nicht daheim und stellt Förderanträge, sondern seid unterwegs und netzwerkt global, das bringt euch weiter.

 

Nikolai Ensslen CEO

Startup Stuttgart: Zu Beginn des Jahres habt ihr euren Firmensitz von der Schwäbischen Alb in den Raum Stuttgart verlagert. Warum Stuttgart? Warum nicht gleich in die großen Startup Zentren wie z.B. das Silicon Valley – wo ihr ebenfalls eine Außenstelle besitzt?

Nun, zunächst die offensichtlichste Erklärung: Mit 40 Leuten zieht man mal nicht so schnell über den Großen Teich. Daneben aber gibt es auch andere Gründe. So ist für uns der Standort Stuttgart – trotz einiger Defizite – sehr attraktiv. Wir haben hier wichtige Kunden, Entwicklungspartner und Interessenten sowie eine passable Infrastruktur. Zudem ist Stuttgart in unserer Branche fast schon eine Marke, die einen eigenen Wert hat. Und nicht zuletzt gibt es auch eine gewisse Heimatverbundenheit, die ich nicht abstreiten will.

Im Moment erfüllt unsere Außenstelle im Silicon Valley seine Aufgaben so gut, dass ein Umzug des Hauptquartiers nicht zu Diskussion steht.

Startup Stuttgart: Seit 7 Jahren gibt es Synapticon nun bereits. Rückblickend betrachtet, was waren für euch die wichtigsten Learnings? Würdet ihr bei einer erneuten Gründung manche Dinge anders angehen?

Hier muss ich ganz klar zugeben, dass ich eine Aufgabe wirklich unterschätzt habe: das Recruiting bzw. den gesamten Themenkomplex rund um Human Resources. Hier würde ich jedem raten sehr früh eine klare Strategie zu verfolgen anspruchsvoll zu sein.. Bauchgefühl und Menschenkenntnis sind sicher viel wert, aber HR ist ein wesentlich komplexeres und strategischeres Thema, als ich zunächst dachte.

Punkt zwei ist die frühe Festlegung der anvisierten Finanzierungsstrategie. Auch da sind wir anfangs etwas herumlaviert und waren unentschlossen: Bootstrapping und organisches Wachstum oder doch den Schalter auf Finanzierung durch Investoren? Diese Frage haben wir nicht wirklich eindeutig geklärt und sind eine ganze Zeit lang zweigleisig gefahren, was ich im Rückblick kritisch sehe. Ich rate auch da zu einer klaren Strategie.

Generell: Eine Entscheidung ist immer besser als keine Entscheidung, selbst wenn sich später rausstellt, man hätte sie besser treffen können. Der Zustand mit keiner klaren Entscheidung ist auf jeden Fall die schlechteste Option.

 

Startup Stuttgart: Mit Oshra Rodav-Orpaz habt ihr euch ganz aktuell personell in Form einer COO Unterstützung aus Tel Aviv an Bord geholt. Viele sehen die Region um Tel Aviv als das neue Silicon Valley. Was erhofft ihr euch durch die neue Zusammenarbeit? Ist ein weiterer Standort für euch in Israel denkbar? 

Denkbar ist ein Standort in Tel Aviv auf jeden Fall. Dort gibt es viele spannende Unternehmen, das Thema „Robotik“ und „Technologie“ im Allgemeinen hat einen hohen Stellenwert und es gibt eine Vielzahl hervorragend qualifizierte Mitarbeiter. Außerdem ist die Gründer-Mentalität dort sehr stark ausgeprägt – da erscheint unsere Region doch eher als konservativ und bedächtig. Es spräche also vieles dafür.

Oshra haben wir jedoch nicht unbedingt wegen ihrer Herkunft an Bord geholt. Vielmehr bringt sie Eigenschaften und Erfahrungen mit, die für uns im nächsten Wachstumsschritt unverzichtbar sind. Sie hat in ihrer Zeit beim IT-Sicherheitsunternehmen Checkpoint in Israel ein sehr erfolgreich und extrem effektiv arbeitendes Unternehmen mit 4000 Leuten dabei begleitet international zu wachsen und dieses Wachstum in Bahnen zu lenken. Genau das brauchen wir jetzt. Außerdem denkt sie sehr strategisch und hat ein Talent dafür, die Ressourcen im Unternehmen bestmöglich zu koordinieren und zu nutzen. Dafür braucht man Erfahrung, eine entsprechende Qualifikation und Geschick: All das bringt sie mit. Zudem hat sie als Kollegin aus dem Ausland sicher auch ein sehr gutes Gespür für die Situation unserer vielen jungen ausländischen Mitarbeiter, die wir in den letzten Monaten nach Stuttgart locken konnten.

Startup Stuttgart: Es gibt immer wieder Diskussionen in der Szene über die „Bedingungen“ für Startups in der Region Stuttgart. Was sind eure Erfahrungen bisher? Würdet ihr noch einmal hier gründen?

Das Bild, das Stuttgart hier abgibt, ist ein gemischtes. Die Firmen hier stehen für Solidität, Qualität und zu einem gewissen Grad auch für Innovationen. In Stuttgart werden nicht so sehr Startups, eher schlicht direkt ernste Unternehmen gegründet. Das ist an sich eine gute Sache. Nur sind Risikobereitschaft, Offenheit für grundlegend neue Entwicklungen, wirtschaftlich-technologische Dynamik und groß zu denken nun nicht unbedingt die Eigenschaften, welche die Region und die hiesigen Unternehmen auszeichnen. Die geringe Risikobereitschaft wirkt sich auch auf die hiesige Investorenszene aus. Zudem hat Stuttgart als Metropole einfach noch nicht einen Charakter wie Berlin oder München, wo hohe Einsatzbereitschaft und ein attraktiver Lifestyle Hand in Hand gehen (work hard party hard). Dies sind allesamt keine unlösbaren Probleme und einige davon sind eventuell auch nur eine Frage der Außendarstellung, aber sie müssen angegangen werden, wenn aus Stuttgart wirklich wieder Erfindungen und Unternehmen von Weltrang kommen sollen. Es wird definitiv Zeit für einen neuen Daimler, Bosch oder Porsche.

Startup Stuttgart: Was sollte eurer Meinung nach in der Region geschehen um Hightech-Gründungen zu erleichtern?

Nun, also ich würde im ersten Schritt einen Blick auf die Situation in München wagen, wo anders als in Berlin viel mit Hardware passiert, die Interessen liegen also ähnlicher wie in der Stuttgarter Welt. Hier wurde und wird vieles richtig gemacht, vor allem wenn es darum geht, wie die Hochschulen dazu beitragen, dass immer wieder sehr spannende neue Firmen entstehen. TUM und LMU arbeiten dabei zudem gut zusammen: technische treffen auf wirtschaftliche Ambitionen. Als Absolvent möchte man heute dort entweder selbst eine Firma gründen oder aber in einem Startup arbeiten. In Stuttgart geht der Großteil noch klar in die Konzerne. Zudem gibt es in München eine Vielzahl ansässiger VC Gesellschaften, in Stuttgart sind es wenn man großzügig zählt drei.

Startup Stuttgart: Derzeit gibt es einiges an Bewegung in der Startup Szene in Baden-Württemberg u.a. hat die Landesregierung das Thema höher auf die Agenda geschoben. Am 14. Juli wird es den Startup-Gipfel BW (http://startup-stuttgart.de/startup-gipfel-baden-wuerttemberg/) geben, bei dem ihr ebenfalls präsent sein werdet, wie uns zu Ohren gekommen ist. Was würdet ihr dort dem Ministerpräsidenten und der Wirtschaftsministerin sagen, mit dem Ziel die Bedingungen für Gründer wie euch zu verbessern/ erleichtern?

Mein Wunsch an den Staat lautet: Weniger Staat. Das mag zunächst paradox klingen, da auch wir von staatlicher Unterstützung direkt und indirekt profitiert haben. Unterm Strich aber muss ich dennoch sagen, dass die Unterstützung und die Förderung durch die Privatwirtschaft für uns der größere Gewinn war. Praktiker können wesentlich besser beurteilen, wo es im Argen liegt, was zu tun ist und welchen Weg man einschlagen muss. Ich würde mir so gesehen wünschen, dass der Staat den Austausch zwischen Unternehmen fördert und Plattformen zu Vernetzung fördert ohne sich dabei selbst zu sehr einzubringen. Ähnlich sehe ich das auch mit der Finanzierung. Klar, staatlicher Fördertöpfe sind auf den ersten Blick toll, aber weder vom Volumen her noch vom Grundgedanken her effizient. Ich wünsche mir ein Modell des israelischen Angel Laws, bei dem Menschen, die ihr Vermögen in Startups investieren, steuerlich entlastet werden. Davon würde ich mir einen immensen Schub versprechen.

Startup Stuttgart: Zum Schluss, sucht ihr aktuell Mitarbeiter? Wer soll sich bei euch melden?

Wir suchen ständig Embedded Hard- und Softwareentwickler und derzeit insbesondere Applikations- und Vertriebsingenieure. Dazu kommen Regelungstechniker, von denen wir dringend mehr benötigen. Darüber hinaus suchen wir Fachleute in der Robotik-bezogenen künstlichen Intelligenz, das heißt vor allem auch mit Kenntnissen und praktischen Erfahrungen in Maschine Vision und Deep Learning. In all diesen Bereichen brauchen wir sowohl erfahrene Kandidaten als auch Absolventen, die neugierige sind und Lust auf „Learning by Doing“ haben, denn bei Synapticon betreten wir fast täglich Neuland.

Startup Stuttgart:Vielen Dank für die Zeit und das ausführliche Interview!

Synapticon wird auch am Startup Gipfel am 14. Juli auf der Landesmesse vor Ort sein. 

Interview von Franziska Müller (Startup Stuttgart e.V.)

Diese Woche haben wir zehn Fragen an die Kollegen von NET WÄCHTER gestellt, die seit kurzem mit Ihrer Webseiten Security Lösung für KMUs online sind.

Wer seid ihr und welche Produkte bietet ihr an?

NET WÄCHTER ist eine cloudbasierte Web-Security-Lösung, die Webseiten und Online-Shops absichert, beschleunigt und automatisch überwacht.

Seit wann gibt es euch als Unternehmen?

Gegründet wurde das Startup im November 2016.

Wie seid ihr auf die Gründungsidee gekommen? Was habt ihr vorher gemacht und wie habt ihr als Team zueinander gefunden?

Yuliy und ich kennen uns bereits seit 17 Jahren. Yuliy führt seit längerem ein IT-Systemhaus im Raum Stuttgart. Ich war über acht Jahre bei der Bundeswehr als Zeitsoldat im IT-Bereich tätig und habe danach über zweieinhalb Jahre bei der Cancom als IT-Security Consultant gearbeitet. Seit Anfang 2017 führen wir das IT-Systemhaus zusammen und das Startup haben wir parallel dazu gegründet. Die Idee entstand aus der Nachfrage einiger IT-Systemhaus-Kunden, die nach einer einfachen Lösung für den Schutz ihrer Webdienste gesucht haben und sich an uns wandten. Ein wichtiges Kriterium war, dass der Anbieter den Dienst made and hosted in Germany betreibt. Da wir keine passende Lösung auf dem Markt gefunden haben, entschieden wir uns eine cloudbasierte Web-Security-Lösung eigenständig auf den Markt zu bringen, was uns mit unserem Startup auch sehr gut gelungen ist.

Was waren bei der Gründung von NET WÄCHTER die größten Herausforderungen?

Es war mitunter schwierig passende externe Dienstleister und Berater zu finden. Dies führte zu Verzögerungen und allgemeiner Unzufriedenheit. Die besten Dienstleister, die immer noch für uns tätig sind, haben wir vor allem durch Empfehlung von anderen Gründern erhalten. Networking, Erfahrungsaustausch ist in diesem Bereich sehr wichtig für Startups.

Warum habt ihr euch für die Region Stuttgart als Standort entschieden und nicht wie viele andere Startups für Berlin?

Unser Lebensmittelpunkt liegt in Stuttgart, hier betreuen wir bereits zahlreiche Kunden aus der Region. Hier wohnen wir mit unseren Familien, haben Freunden und wollten eigentlich nie hier weg. Außerdem ist unser cloudbasiertes IT-Security-Produkt ortsunabhängig und wir haben auch hier in Stuttgart eine gute Startup-Community, Startup Wettbewerbe etc. Wir sind somit mit dem Standort Stuttgart sehr zufrieden.


Die beiden Gründer Swjatoslav Cicer, Yuliy Finkelstein

Was möchtet ihr Gründern speziell als Tipp mitgeben, wenn sie in Stuttgart (und der Region) gründen möchten?

Als Gründer sollte man jedes Networking und Publicity-Möglichkeit nutzen. Lohnenswerte Events im Raum Stuttgart, die man als Gründer nicht verpassen sollte sind:

  • Gründergrillen (Startup Stuttgart e.V)
  • Young Business Network / Mittelstand meets Startup (IHK Stuttgart)
  • Corprate Startup Meetup Stuttgart (Pitch Wettbewerb von Accelerate-Stuttgart)
  • Elevator Pitch BW
  • Interessante Meetups (meetup.com)

Angenommen ihr hättet die Chance einen Tag lang Bürgermeister von Stuttgart zu sein, was würdet ihr verändern?

Ich würde ein staatlich gefördertes Accelerator-Programm für Startups aus der Region starten und mindestens 3-mal im Jahr „Politik meets Startups Events“ veranstalten.

Mit wem würdet ihr gerne einmal Essen gehen und warum?

Robert Kiyosaki, weil er mir geholfen hat, meine Sicht auf Geld, Erfolg und Unternehmertun zu verändern.

Wo seht ihr euch heute in fünf Jahren?

Marktführung im Bereich Webseiten und Online-Shop-Schutz für kleine und mittlere Unternehmen in DACH Region in 3 Jahren, Europaweit in 5 Jahren.