Interview mit Thomas Munz und Dirk Sturz von Stuttgart Financial – Initiativen für Gründer (Teil 2)

Gastinterview von Florian Schweer
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Im ersten Teil des Interviews mit Stuttgart Financial letzte Woche haben wir einiges über die Aufgaben und Initiativen von Stuttgart Financial erfahren.

Im zweiten Teil des Interviews sprechen wir mit Thomas Munz und Dirk Sturz über die Gründe für Existenzgründer ihr Startup in Baden-Württemberg bzw. in Stuttgart zu gründen. Wir werfen außerdem einen Blick in die Zukunft und erörtern die Möglichkeit, das Startkapital für ein Startup über eine börsliche Plattform einzusammeln.

Baden-Württemberg gilt aktuell nicht unbedingt als erste Wahl, wenn es um die Standortentscheidung für Gründer geht. Berlin steht für Internet-Startups, Köln für die Kreativszene hoch im Kurs. Warum sollten sich Gründer für Baden-Württemberg bzw. den Standort Stuttgart entscheiden?

T. Munz: Da gibt es eine ganze Reihe von Argumenten für unsere Region. Wir haben im ersten Teil des Interviews über die starke Realwirtschaft in Baden-Württemberg und in der Region Stuttgart gesprochen. Dementsprechend haben Gründer hier eine gute Möglichkeit Lieferanten, Partner und natürlich auch Kunden in der Region für ihre Produkte und Dienstleistungen zu finden.

Ein weiteres Argument ist die geographische Lage. Durch die gute Anbindung können Unternehmer problemlos Kunden im Rhein-Main-Gebiet, der Rhein-Neckar-Region und im Großraum München erreichen. Der Weg in die angrenzenden Länder Frankreich, Österreich und Schweiz ist ebenfalls nicht weit.

Durch die stark mittelständisch geprägte Wirtschaft in Baden-Württemberg finden Gründer auch erfahrene Unternehmer, die bereit dazu sind junge Unternehmer auf ihrem Weg in die Selbständigkeit zu unterstützen.

Insbesondere die schwäbische Mentalität wird im Rest der Republik nicht ausnahmslos positiv wahrgenommen. „Der Schwabe“ ist mit vielen Klischees belegt. Sehen Sie dies als Hemmnis im Bezug auf die Attraktivität als Standort für Gründer?

D. Sturz: Nein, das stellt aus unserer Sicht kein wirkliches Hemmnis dar. Ich denke man sollte sich sein eigenes Bild machen und dann entscheiden was an den Klischees oder Vorurteilen tatsächlich dran ist. Viele davon lösen sich dann nämlich relativ schnell wieder auf. Außerdem haben wir ja insbesondere in der Region Stuttgart einen beträchtlichen Anteil von zugezogenen Fachkräften und viele Menschen mit ausländischen Wurzeln. Ich denke wir haben da eine gute Mischung unterschiedlicher Mentalitäten, auf die man im Arbeitsleben trifft.

Im Rahmen der Veranstaltungen, die wir (mit-)veranstalten, unterhalte ich mich auch immer wieder mit Menschen die für eine Stelle oder für ein Projekt hierher gezogen sind. Die allermeisten zeigen sich sehr positiv überrascht über die hohe Lebensqualität die Stuttgart zu bieten hat.

Gibt es bestimmte Charaktereigenschaften, die ein Gründer mitbringen sollte, um am Standort Stuttgart erfolgreich zu sein?

T. Munz: Ich denke, dass es für große Visionäre hier schwieriger ist als an anderen Standorten. Die Unternehmen und Menschen hier schätzen Bodenständigkeit und ein Stück weit auch die viel zitierte Hemdsärmlichkeit. Das Bild des Unternehmers, der selbst in der Produktion Hand anlegen kann und sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat, ist hier sehr stark in den Köpfen verankert.

Im Endeffekt führt das dazu, dass sie als Gründer ihre Partner von ihren Fähigkeiten als Unternehmer überzeugen müssen und im Idealfall schon Ergebnisse als Zeugnis ihrer bisherigen Arbeit vorlegen. Das ist generell wichtig um Partner und Kunden zu überzeugen. Vielleicht urteilen wir hier in der Region ein bisschen kritischer als das an anderen Standorten geschieht.

D. Sturz: Wir beobachten, dass die Gründer in Baden-Württemberg durchschnittlich älter sind als an anderen Standorten. Viele Gründer haben nach Ausbildung und Studium zuerst einige Jahre als Angestellte gearbeitet und Erfahrung und auch Kapital für die Investition in ein eigenes Unternehmen gesammelt. Der Schritt in die Selbständigkeit erfolgt dann z.T. erst im Alter zwischen 40 und 50, wenn langjährige Berufserfahrung und finanzielle Reserven vorhanden sind.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Gründerszene in Baden-Württemberg?

D. Sturz: Wir sehen in den letzten Jahren eine sehr positive Entwicklung in diesem Bereich. Das Thema Gründung hat durch viele Initiativen des Landes und auch der einzelnen Netzwerke und Förderer deutlich stärker an Bedeutung gewinnen können. Auch die Hochschulen tragen einen großen Teil dazu bei, ihre Studenten bereits während des Studiums mit dem Themenkomplex „Unternehmertum“ in Kontakt zu bringen. Eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zeigt auf, dass High Tech-Gründungen in Baden-Württemberg im Bundesvergleich besonders häufig erfolgreich sind. Gleichzeitig ist aber auch zu beobachten, dass die Existenzgründerquote in Baden-Württemberg sehr niedrig ist. Um seine Spitzenposition im Technologiebereich weiter halten zu können, muss Baden-Württemberg seine Potenziale voll ausschöpfen. Gründungen spielen dabei eine zentrale Rolle. Daher sind wir bestrebt Gründern gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern bestmöglich zu unterstützen.

Stuttgart Financial hat seine Räumlichkeiten ja nicht nur im gleichen Gebäude wie die Gruppe Börse Stuttgart sondern ist auch durch die Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse e.V. eng mit der Börse Stuttgart verbunden. Warum existiert bislang keine börsliche Plattform für die Finanzierung von Existenzgründern als Alternative zu den Crowfunding-Plattformen, die aktuell wie Pilze aus dem Boden schießen?

T. Munz: Eine börsliche Plattform aufzusetzen, um Geld für Startups einzusammeln, ist technisch keine große Herausforderung und kann theoretisch sehr schnell erfolgen. Im Vorfeld müssen allerdings einige grundlegende Aspekte beleuchtet und geklärt werden.

Der börsliche Handel ist heute von größtmöglicher Transparenz geprägt. Das bedeutet im Zusammenhang mit einer börslichen Plattform für Startups, dass wir alle Akteure davon überzeugen müssen sehr detailliert Auskunft über das jeweilige Gründungsvorhaben zu geben. Gründer und Produktentwickler sind insbesondere in der Startphase außerordentlich vorsichtig, wenn es um die Offenlegung von Informationen rund um ihr Vorhaben geht. Ihnen geht es darum, Innovationen zu schützen, einen Vorsprung in der Entwicklung zu bewahren und sich somit vor Wettbewerbern zu schützen. Auf der Investorenseite besteht der Wettbewerbsvorteil darin, früher und detaillierter von neuen Vorhaben zu erfahren als die Konkurrenz. Diese weit verbreiteten Verhaltensweisen stehen somit im Gegensatz zu den Ansprüchen, die zwangsläufig an Teilnehmer einer Börsenplattform gestellt werden müssten.

Darüber hinaus muss geklärt werden, wer im Nachgang an das Funding den funktionierenden Handel im Sekundärmarkt garantiert. Hier müssen ggf. Angebots- oder Nachfrageüberhänge ausgeglichen werden. Die Börse kann als Plattformbetreiber diese Aufgabe nicht leisten. Hier müssen sich einzelne Akteure bereit erklären die jeweiligen Spitzen auszugleichen um einen liquiden Handel zu gewährleisten. Liquidität ist wichtig für einen reibungslosen Handel und die Vermeidung von Verwerfungen bei der Preisermittlung. Die Rolle als Liquiditätsspender ist zwangsläufig mit Risiken verbunden und die Übernahme dieses Risikos muss vergütet werden. Wer kommt für diese Vergütung auf? Der Gründer der das Geld eigentlich für den Aufbau seines Unternehmens benötigt? Die Investoren? Alle gemeinsam? Sie sehen das sind sehr viele knifflige Fragen bei gegenläufigen Interessenlagen. Und dann haben wir auch noch die Thematik, dass wir unseren Anlegern kommunizieren müssen, dass es sich beim Investment in Startups um eine extrem risikoreiche Form der Anlage handelt.

Das hört sich nicht danach an, dass Sie die Entwicklung eines Konzepts für darstellbar halten.

T. Munz: Wie gesagt, die Fragestellungen sind umfangreich und die Interessenlagen sehr komplex. Wenn sich die Beteiligten auf neue Wege einlassen und entsprechende Konzepte entwickeln, dann werden wir uns das mit Sicherheit anhören und unsere Expertise auf diesem Gebiet einbringen. Die Initiative dazu kann allerdings nicht von Stuttgart Financial ausgehen. Da sind die Gründer, Finanzdienstleister und Netzwerke gefragt.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

[hr]

Über den Interviewer

Florian Schweer

Florian Schweer ist Unternehmer und Gründer der FSBV GmbH. Vor der Gründung seines Unternehmens war er von 2003-2012 in unterschiedlichen Funktionen und in mehreren Unternehmen für die Gruppe Börse Stuttgart tätig.

Bildquelle Headerbild: Stuttgart Financial

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