Gastinterview von Bernd Landwehr
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Das Startup Codeatelier aus Stuttgart ist beim Versuch gescheitert, ihre Smart-Home-Anwendung “Homee” über Crowdfunding zu finanzieren. Im Interview erklärt der Geschäftsführer Jochen Schöllig, was er aus der Niederlage gelernt hat und wie es mit Homee weitergeht.
Ihr habt versucht “Homee” über die Crowdfunding-Plattform „indiegogo“ zu finanzieren. Am Ende wurde nicht einmal die Hälfte des Funding-Ziels erreicht. War Crowdfunding der falsche Weg?
Nein, das glaube ich nicht. Wir wollten Crowdfunding ausprobieren, gerade weil sich “Homee” unserer Meinung nach dafür eignet. Es gibt ein konkretes Produkt und die Leute bekommen für ihr Geld etwas zurück. Ursprünglich wollten wir die Kampagne über die viel größere Plattform “Kickstarter” machen, doch durch die rechtlichen Bestimmungen konnten wir das nicht. Mit “indiegogo” waren wir zwar bei der zweitgrößten Plattform, die ist aber nicht annähernd so bekannt. Grundsätzlich hätte Crowdfunding unserer Meinung nach schon erfolgreich sein können, aber vielleicht war die Plattform einfach zu klein oder das mediale Interesse zu gering um am Ende erfolgreich zu sein.
Wo lag das Problem bei Kickstarter?
Als Deutscher ist eine Kickstarter-Kampagne nicht möglich. Wir hatten zwar ein Teammitglied, das auch die Kanadische Staatsbürgerschaft hat, doch durch die doppelte Staatsbürgerschaft hätte es steuerliche Probleme geben können und das war uns zu heikel.
Insgesamt haben mehr als 200 Unterstützer mitgemacht. Woran lag es, dass die 100.000 Euro nicht zusammen kamen?
Wir haben bei Homee einen konkreten Produktpreis und so nur wenig Spielraum, was unser Angebot für die Unterstützer angeht. Im Vorfeld hatten wir mit etwa 1000 Unterstützern kalkuliert, die wir bräuchten, dass es mit den 100.000 Euro klappt. Im Nachhinein betrachtet hätten wir das Ziel vielleicht sogar etwas niedriger ansetzen können, aber das konnten wir vor der Kampagne nicht wissen.
Grundsätzlich sollte man natürlich immer versuchen, das Funding-Ziel so niedrig wie möglich zu halten, auch wenn das Risiko besteht, am Ende draufzuzahlen. Man muss es genau durchrechnen und dann die Summe festlegen. Denn leider kann man den Betrag während der Kampagne nicht mehr ändern.
Ein entscheidender Punkt für den Erfolg einer Kampagne ist natürlich, wie viele Menschen man erreichen kann. Wir haben relativ wenig für Marketing ausgegeben und versucht Redakteure direkt anzusprechen. Das hat auch sehr gut geklappt. Wir waren in der deutschen Presse und auch bei deutschen Startup-Blogs präsent, aber international war es unheimlich schwierig. Wenn man eine relativ hohe Funding-Schwelle hat, muss man auch auf die englischsprachigen Seiten kommen. Und jeder, der für sein internationales Produkt auch die englischsprachigen Medien und Blogs braucht, sollte sich Hilfe holen, sonst kann man dort nur schwer landen.
Es kommt zwar häufig vor, dass eine gute Crowdfunding-Plattform aus sich heraus schon Aufmerksamkeit generiert, aber bei uns war das nicht so. Die Besucher kamen von außen und vor allem über die Technik-Blogs. Vielleicht ist das ja bei Kickstarter anders, aber das wissen wir nicht.
Man sagt über Crowdfunding, dass man bereits an der Beteiligung der Nutzer sieht, wie eine Geschäftsidee ankommt. Das würde für euer Projekt nichts Gutes bedeuten. Wie geht ihr mit dem Feedback um?
Das ist enorm wichtig für uns und sehr hilfreich. Die meisten Unterstützer haben eine Idee, wie das Produkt besser werden kann und geben wertvolle Anregungen. Doch was die Geschäftsidee als solche angeht, muss man sich natürlich bereits vorher mit der Frage beschäftigen, was nach dem Crowdfunding kommt.
Es gibt genügend Beispiele, wo die Kampagne erfolgreich war, aber sich langfristig kein Erfolg einstellte. Wir haben von Anfang an weiter gedacht. Es sollte auf jeden Fall weitergehen. Nun haben wir beispielsweise ein viel besseres Gefühl, welche Stückzahlen man verkaufen kann. Und durch die Kampagne hat sich bei uns der Lean-Gedanke noch stärker verfestigt, also erst kleine Schritte mit dem Unternehmen zu machen. Vielleicht schaffen wir eher 200 statt 5000 Stück pro Monat – das fließt natürlich alles in unsere Strategie mit ein.
Habt ihr mal an Eurer Idee gezweifelt?
Ja. Wir sind sehr selbstkritisch und zweifeln oft an unseren Ideen. Das ist bei Homee nicht anders. “Smart-Home” wird schon seit 20 Jahren ausgerufen, ist aber immer noch nicht Realität. Wir stellen uns immer die Frage, hat das später wirklich jeder mal und wie gelangt man dort hin, dass das jeder hat. In Europa unterscheiden sich alle Ansätze in diesem Bereich, jeder hat da seine eigene Strategie. Auch wir hinterfragen uns permanent. Das ist extrem wichtig, nur so können wir uns gut aufstellen.
Mit Crowdfunding seid ihr gescheitert, macht ihr trotzdem weiter?
Ja, Homee ist jetzt in der Produktion. Wir sind durch die letzten Prüfungen durch und Ende April, Anfang Mai wollen wir die ersten Homee ausliefern. Wir konnten ein mittelständisches Unternehmen aus dem Sensorik-Bereich gewinnen, das uns unterstützt.
Was hat sich am Produkt durch die Crowdfunding-Kampagne konkret verändert?
Wir haben durch die Kampagne die Möglichkeit gehabt, das zu reflektieren, was wir vorhaben. Wir haben gesehen, dass die Hardware passt, aber man sie stärker in die Richtung bringen muss, wo sie die Unterstützer haben wollen. Das Wichtigste ist immer, es so einfach wie möglich zu machen. So einfach, dass es wirklich jeder hinbekommt.
Nach der Erfahrung mit Homee, kannst du dir vorstellen noch einmal ein Crowdfunding Projekt zu starten?
Ja, auch wenn es viel Aufwand war.
Wie viel Aufwand war es insgesamt?
Wir haben das hauptsächlich zu zweit gemacht und ich würde sagen, 40 Manntage waren es auf jeden Fall. Dabei hatten wir viel Hilfe von Freunden und Bekannten. Beispielsweise haben Freunde, echte Profis, unseren Film produziert. Die Filme auf den Plattformen haben sehr hohe Qualität, daran muss man sich orientieren, deshalb kann man das nicht nebenbei machen. Wenn man einen guten Film machen möchte, braucht man natürlich viel Zeit, das fängt schon bei der Musik an. Aber der Film ist enorm wichtig und wenn man es nicht selbst kann, muss man einen Profi beauftragen, da hatten wir schon Glück. Auch den Sprecher mussten wir nicht buchen, das konnte für uns ein amerikanischer Verwandter machen.
Was den zeitlichen Aufwand anbetrifft, sollte man insgesamt schon zwei bis drei Monate für eine Kampagne einplanen. Ja, es ist viel Aufwand, aber sonst hat es keinen Sinn. Für uns hat es sich aber definitiv gelohnt. Wir haben gute Kontakte bekommen, auch zu Unternehmen, denn auch die lesen die entsprechenden Blogs. So haben sich Kooperationen ergeben, die jetzt ein großer Vorteil sind. Und deshalb würde ich sagen, dass die Kampagne trotzdem ein Erfolg war.
Was würdet ihr dennoch beim nächsten Mal anders machen?
Ich würde es auf jeden Fall bei Kickstarter machen. Und ich würde die Pressestrategie anders planen. So, dass man Stück für Stück neue Infos raushauen und so häufiger Aufmerksamkeit erzeugen kann. Mehr Aufmerksamkeits-Peaks in Deutschland und natürlich viel mehr Aufmerksamkeit in englisch-sprachigen Medien, denn ohne geht es einfach nicht.
Wir haben am Anfang schon gedacht, das wir wirklich alles selbst machen können, aber der ganze Bereich hat bereits einen Professionalitäts-Grad erreicht, wo das kaum möglich ist. Häufig geht es sogar nur noch ums Marketing. In einigen Fällen ist die Kampagne selbst nur ein Marketing-Instrument.
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Bildquelle: Codeatelier / Homee
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Über den Autor
Bernd Landwehr arbeitet als freier Journalist, Formatentwickler, Autor, Sprecher und Konzepter für verschiedene Medien. Als TV- und Video-Journalist entwickelt er neue Crossmedia-Konzepte für Medienhäuser & TV-Produktionsfirmen und gibt seine Erfahrungen in Seminaren weiter. Neben seiner journalistischen Tätigkeit begleitet und unterstützt Bernd Startups beim Entwickeln und Umsetzen neuer Geschäftsideen.
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