Das eigene Produkt zur Gewohnheit machen: Wenn aus bunten „Vitaminen“ notwendige „Pain Killers“ werden

Es gibt viele Geschäftsmodelle, die keine Retention verlangen, um erfolgreich zu sein. Dazu zählen z.B. Autos, elektrische Zahnbürsten oder die meisten Apps. Wenn dein Business jedoch wie autonetzer.de auf wiederholende Aktionen und Käufe basiert (in diesem Fall wiederholte Anmietungen von Fahrzeugen), so ist es wichtig, eine wiederholte Interaktion mit dem Produkt zu generieren. Einer der Experten hier ist Nir Eyal. Auf seinem Blog NirAndFar.com findet man immer Spannendes zu lesen.

In seinem Workshop „Hooked“ zeigt er auf eindrucksvolle Art wie man User Habits also Gewohnheiten generiert. Das Grundkonzept besteht darin, dass man zwischen „Vitaminen“ (Vitamins) und „Schmerzmitteln“ (Pain Killers) unterscheiden muss. Während Vitamine nicht so notwendig sind, sondern eher für den „Genuss“ konsumiert werden, sind Schmerzmittel eher weniger verzichtbar, da sie einen Schmerz verhindern.

Folgende Key Slide aus Eyals Präsentation „Hooked“ schlägt nun die Brücke, um Produkte oder Dienstleistungen zu einer Gewohnheit werden zu lassen: Man „lockt“ seine Nutzer mit einem Service, der Befriedigung erzeugt bzw. etwas vereinfacht. Doch nach einer gewissen Zeit hat der Kunde das Produkt so stark in seinem Leben integriert, sodass es ein Problem (aka Schmerz) auslöst, wenn das Produkt nicht erreichbar ist – der einzige Ausweg: Der Pain Killer, also die Nutzung des Services!

Habit-forming technology - from vitamins to pain-killers

Natürlich ist nicht wirklich von einem Schmerz die Rede, sondern von einer Art Unbequemlichkeit, einem Jucken oder einer Art Kribbeln. Eyal hat dazu ein passendes Beispiel parat: Er bittet seine Zuhörer, die Augen zu schließen. Nun soll man sich vorstellen, ohne zur Hosentasche zu greifen, dass sein Handy vibriert und vermutlich ein wichtiger Freund gerade eine eilige Nachricht geschrieben haben könnte. Merkst du dieses Gefühl, nachschauen zu wollen? Genau von diesem „Jucken“ spricht er, wenn es um Gewohnheiten geht. Dies ist jedoch nicht zu verwechseln mit Sucht!

Aber wie lässt man nun Nutzern ihre „Finger jucken“? Hier hat Nir Eyal ein Modell erschaffen: Die so genannten Hooks (Haken, die zu häufiger Interaktion mit dem Produkt führen sollen) setzen sich aus 4 Elementen zusammen:

  • Trigger (sowohl extrinsisch als auch intrinsisch motivierte Anlässe, z.B. Empfehlung)
  • Action (z. B. Login, öffnen, speichern, …)
  • Reward (etwas sehen, finden, scrollen, bewegen, sozial berührt sein …)
  • Investment (bezahlen, weiterempfehlen, folgen, Feedback geben …)

So viel in Kürze. Was mich davon am meisten fasziniert ist der letzte Punkt, Investment: Es gilt als bewiesen, dass, wenn man eine kleine „Gegenleistung“ verlangt – der Nutzer also etwas „investieren“ muss (in Form einer kleinen Tätigkeit) – die Chance, dass er wiederkommt enorm steigt. Vielleicht kennen wir das ein wenig bei Freunden: Wenn wir irgendwo aktiv involviert werden (oder unterstützen) fühlen wir uns zumindest ein bisschen verpflichtet, weiter zu machen – genau das ist Retention.

Den Vortrag von Nir Eyal gibt es auch als komplettes Video hier. Sehr empfehlenswert!

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