Regionalen Weinbau der etwas anderen Art stellt die KSK Vintage Winery von Dennis und Sebastian dar. Die beiden waren es leid mit anzusehen, wie im Stuttgarter Stadtteil Rohracker alte Weinberge aufgegeben werden und ein Stück Kulturlandschaft vor den Toren der Stadt verloren geht. Die Anschub-Finanzierung für das Projekt stemmten die beiden über eine Crowdfunding Plattform und konnten auf diese Art bereits einige Brachflächen wieder zurück in die Bewirtschaftung bringen. Deutschlands erster Crowdfunding Weinbaubetrieb hat uns von Startup Stuttgart natürlich neugierig gemacht. Wir haben uns mit Sebastian getroffen um mehr über das Konzept, ihre Pläne und den Weinbau zu erfahren.
StaStu: Hallo Sebastian, könnt ihr euch einmal vorstellen? Wer seid ihr und was macht ihr?
Sebastian: „Wir“ – das sind mein Co-Gründer Dennis und ich haben 2013 die KSK Vintage Winery gegründet. Wir kommen beide ursprünglich aus Rohracker und Weinbau war schon immer Teil unserer Familien. Wir haben lange mit angesehen, wie die alten Weinhänge hier nach und nach aufgegeben werden und wollten daran etwas ändern. Also haben wir beschlossen, statt nur Trauben zu produzieren, unseren Wein selber zu keltern und haben 2014 mit einem Crowdfunding den Grundstein hierfür gelegt. Wir haben auch früher schon Wein gekeltert, allerdings nur für den Eigenbedarf – inzwischen schaffen wir es nicht mehr, alles selber zu trinken.
Wie kam es zur Idee die Finanzierung mittels Crowdfunding anzugehen?
Uns war schon zu Beginn klar, dass wir die alten Flächen neu bewirtschaften wollen. Geld für den Ausbau der Weine hatten wir allerdings nicht. Ganz klassisch einen Kredit bei der Bank aufzunehmen kam nicht in Frage: Hätten wir einem Bänker erzählt, dass wir ein Weingut in der Steillagen-Terrasse aus dem Boden stampfen und den Wein in einem gesättigten Markt vertreiben wollen, hätte der sicher gesagt „sucht euch doch lieber einen anständigen Job, das rechnet sich nie“. Wir haben den Businessplan also gar nicht erst vorgelegt, sondern uns über Crowdfunding Leute gesucht, die unsere Idee unterstützen. Von der Resonanz waren wir echt begeistert. Es haben sowohl Leute aus der Region mitgemacht, als auch aus Hamburg, Dresden, München oder Berlin. Das war für uns der finanzielle Grundstein, um die Kosten für die erste Abfüllung decken zu können. Gleichzeitig war es für uns ein hervorragender Marktcheck, um zu schauen, ob ein kleines Weingut in Stuttgart-Rohracker im Premiumsegment überhaupt ankommt und natürlich auch ein Marketing-Schachzug, um auf uns aufmerksam zu machen, bevor der Wein rauskommt – wie gesagt, 4000 Flaschen trinkt man nicht mal eben so alleine aus.
Über das Crowdfunding haben wir schnell gemerkt, dass ein Interesse da, ist die Kulturlandschaft hier zu erhalten und uns zu unterstützen. Von 105 Unterstützern haben gleich zu Beginn 35 Leute eine Rebstockpatenschaft gebucht – das ist natürlich cool.
Wie kann man sich bei euch einbringen und euch unterstützen?
Grundsätzlich kann man sich auf unterschiedliche Arten einbringen. Wer Zeit und Lust hat ist herzlich eigenladen, uns im Weinberg zu unterstützen. Die Teilnehmerzahl ist immer ganz unterschiedlich, mal sind wir 20 Personen ein anderes Mal zu dritt – aber jede Hilfe ist für uns immer großartig.
Die Währung der Stunde ist hierbei die Zeit, die Leute investieren, um uns im Weinberg zu unterstützen. Im Gegenzug versuchen wir Wissen zu vermitteln. Hier haben wir scheinbar einen Zeitgeist getroffen. Viele Leute scheinen in ihrer täglichen Arbeit nicht mehr viel Sinnstiftendes zu sehen und sind unter dem Strich einfach froh, wenn sie Feierabend haben. Am Wochenende sucht man dann häufig nach etwas Sinnvollerem. Hier kommen wir ins Spiel und ich würde sagen es ist eine Win-Win Situation- wir freuen uns über jede helfende Hand und gleichzeitig lernen die Leute etwas über Weinbau, hinter dem weit mehr Arbeit steckt als nur einmal im Jahr Trauben zu ernten. Gerade wenn man auf chemische Unkrautvernichter wie Glyphosat verzichtet, gibt es einfach nur die gute alte Hacke. Und sowas macht in ner netten Truppe dann doch mehr Spaß als alleine. Nach getaner Arbeit haben wir dann immer gemeinsam einen schönen Ausklang bei Vesper und Wein.
Eine andere Möglichkeit der Unterstützung ist in Form einer Rebstock-Patenschaft. Wer sich nicht die Finger schmutzig machen kann oder möchte, kann eine Patenschaft für einen Rebstock übernehmen. Jeder Pate erhält als kleines Geschenk eine Flasche unseres Premium- Weins und ist über´s Jahr eingeladen, auch im Patenschafts-Weinberg mitzuhelfen. Mit der Differenz, die wir über die Patenschaften einnehmen, decken wir die laufenden Kosten oder können in neue Flächen investieren.
Seit diesem Sommer bieten wir ebenfalls Teambuilding-Events für Unternehmen bei uns im Weinberg an. Bei unserem ersten Event kamen die Mitarbeiter aus ganz Deutschland und sogar USA und haben einen Tag bei uns im Weinberg verbracht. Die Meisten kannten diese Ecke von Stuttgart bisher nicht und waren begeistert ein Stück fast verloren gegangene Weinbau-Kultur aus dem Schwabenland kennen zu lernen und gleichzeitig unser Projekt mit ihrem Firmenausflug zu unterstützen. Es ist eigentlich nachhaltiges Teambuilding – die Firma macht ihren Standort für die Mitarbeiter attraktiv, unterstützt gleichzeitig ein regionales Projekt, alle haben Spaß dabei und lernen sogar noch was.
Was habt ihr euch für die kommenden Jahre vorgenommen?
Unser ganz großes Ziel ist es natürlich, die Weinberge hier in Rohracker zu erhalten, Brachflächen wieder zu bewirtschaften und damit die Einzigartigkeit und Ursprünglichkeit des Tals herauszustellen. Wenn wir das schaffen haben wir schon viel erreicht.
Wir haben keine schicke Vinothek, in der wir die Leute bequatschen, warum unser Wein besser ist oder wie der Preis zustande kommt. Dafür hätten wir auch gar keine Zeit. Wer sich dafür interessiert muss mit raus, dahin wo wir am Wochenende sind – und jeder der einmal zwei Stunden in den Steilhängen mitgearbeitet hat versteht den Mehraufwand, den wir hier betreiben und ist bereit, dafür auch den einen oder anderen Euro mehr zu bezahlen. Unser Ziel ist nicht zu einem ein riesen Weingut zu werden, dafür ist das Tal auch viel zu klein. Wir wollen nur um das wachsen, was wir noch selbst stemmen können.
Betreibt ihr aktives Marketing um euch bekannter zu machen oder lebt ihr eher vom word-of-mouth?
Unser größter Coup war sicherlich das Crowdfunding – aber den Aktivitäten vor und während der Kampagne darf man auch nicht unterschätzen. Heute greifen wir auf nur auf die kostengünstigen Varianten wie unsere Homepage, Facebook oder Instagram zurück. Große Budgets für Marketing haben wir als Startup natürlich nicht. Es geht vielmehr darum, das wenige Geld gut zu investieren und so z.B. auch die richtigen Veranstaltungen für unser Brand-Building zu finden. Was beispielsweise für uns nicht funktioniert hat, waren große Messen. Das ist zu anonym, mit hohen Standgebühren verbunden und die Leute wollen nicht mit einer Flasche Wein über die Messe laufen. Stattdessen suchen wir uns heute gezielt kleine Events oder Stadtfeste mit der richtigen Zielgruppe, um unsere Bekanntschaft zu erhöhen und gleichzeitig über den Ausschank der Weine zumindest unsere Kosten zu decken. Zusätzlich organisieren wir noch eigene kleine Events, wie beispielsweise unser Sommerfest – ein Open-Source-Akustik-Konzert in unserem abgelegenstem Weinberg – eigentlich nur per GPS-Koordinaten zu finden und bisher noch ein Geheimtipp unter denen, die den Schritt aus dem Kessel zu uns gewagt haben
Habt ihr noch einen Tipp für andere Gründer? Was wollt ihr anderen mit auf den Weg geben?
Mein Tipp wäre, dass man sich immer an das halten sollte was einem Spaß macht und worin man auch gut ist. Wir sind zwei komplett unterschiedliche Charaktere und das ist auch gut so. Dennis ist zuständig für alles, was mit Rechnungen, Zahlen, Bilanzen und Steuern zusammenhängt. Meine Stärken liegen eher im Bereich Vertrieb, Marketing und dem Organisieren von Events. So haben wir das auch aufgeteilt und keiner muss sich mit was rumschlagen, worauf er keinen Bock hat.
Eurer Erfahrung nach, wie eignet sich die Region Stuttgart für ein Startup? Würdet ihr anderen empfehlen hier zu gründen?
Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass sich die Region sehr gut zum Gründen eignet. Es handelt sich um einen wirtschaftsstarken Standort mit einer großen Kaufkraft – was in unserem Fall, wenn man am Ende ein Produkt verkaufen will, natürlich essentiell ist. Auch für die Teambuilding-Events können wir uns über einen Mangel an Firmen mit Standort Stuttgart und unserer Nähe zur Messe mit den ganzen Tagungshotels natürlich nicht beschweren.
Was sucht ihr gerade?
Zum einen suchen wir natürlich immer Leute, die Lust haben mal mit anzupacken und dabei was zu lernen. Wir bieten Wissensaustausch gegen Arbeitskraft und Schweiß. Auch im Patenschafts-Weinberg sind noch genug Rebstöcke frei. Und ganz aktuell suchen wir natürlich Kontakte und Ansprechpartner in die Unternehmen der Region, um unsere Teambuilding-Events bekannter zu machen und im Frühjahr/ Sommer 2018 damit durchzustarten.
Vielen Dank für den tollen Einblick und das Interview Sebastian.
Liebe Community, wenn ihr am Wochenende mal wieder nichts mit euch anzufangen wisst oder einfach mal mehr über das weiße, rote und rosa Zeug lernen wollt, was man sich Wochenends häufig einverleibt, dann freuen sich Dennis und Sebastian immer über fleißige Helfer.
Dennis Keifer & Sebastian Schiller, sind Winzer und alte Sandkastenfreunde aus dem beschaulichen Stuttgart-Rohracker. Während ihrer Ausbildung in renommierten Weingütern der Region und verschiedenen vinophilen Auslandsauf-enthalten wuchs in der Wunsch vom eigenen Wein. Weinberge sind seit Generationen in der Familie – was fehlte, war die Kohle, um das Ding einfach zu starten. Über Deutschlands größte Crowdfunding-Plattform bekamen die beiden von begeisterten Weinfreunden aus ganz Deutschland finanzielle Unterstützung für ihre Unternehmensgründung. Das Projekt ist noch immer online: www.startnext.com/ksk-vintage-winery