Sehr geehrte Frau Ministerin Hoffmeister-Kraut, vor rund drei Jahren haben Sie den Startup- Think-Tank Baden-Württemberg ins Leben gerufen. Welche Erkenntnisse haben Sie aus diesem Gremium gewonnen?
In der Gründungslandschaft des Landes Baden-Württemberg ist eine enorme Dynamik entstanden. Der Think Tank gibt uns wichtige Anregungen, wie wir unsere Förderinstrumente optimieren können. Er setzt sich aus Gründerinnen und Gründern, Vertreterinnen und Vertretern der Privatwirtschaft, von Wirtschaftsorganisationen und Start-up-Verbänden sowie aus der Beteiligungs- und Fremdkapitalszene zusammen. Aus den Sitzungen konnte ich schon viele wichtige Impulse mitnehmen, die zum Beispiel in neue Konzepte im Bereich Entrepreneurship Education eingeflossen sind. Den Gründungsgeist in die Schulen und an die Hochschulen zu bringen, ist wichtig, um Gründerinnen und Gründer von morgen zu fördern. Auch die Anregungen im Bereich der Wachstumsfinanzierung haben uns weitergebracht bei der Weiterentwicklung unserer Fondslandschaft.
Im Koalitionsvertrag „BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BADEN-WÜRTTEMBERG UND DER CDU BADEN-WÜRTTEMBERG 2016 – 2021“ wurde das Ziel: Wir werden Baden-Württemberg zur dynamischsten Gründerregion Europas machen.“ definiert. Wo stehen wir da aus Ihre Sicht? Wo gibt es rückblickend vielleicht auch Anlass zur Selbstkritik?
Die 2017 gestartete Landeskampagne Start-up BW geht genau diese Ziele an und entwickelt sich ständig weiter. Wir bündeln unsere Fördermaßnahmen und starten neue Projekte, die die Startups noch gezielter stärken – unter anderem Start-up-Beratungen, Finanzierungsinstrumente und Accelerator-Programme. Landesweite Unternehmensplanspiele und Wettbewerbe oder der Start-up BW Summit auf der Landesmesse Stuttgart, bei dem uns auch Startup Stuttgart immer tatkräftig unterstützt hat, runden das Spektrum ab. National wie international existiert ein stark umkämpfter Wettbewerb um die besten Start-ups. Ich sehe Baden-Württemberg auf einem guten Weg, diesen Wettbewerb zu bestehen und in der Entwicklung, Betreuung und Finanzierung von skalierbaren Geschäftsmodellen internationales Top-Niveau zu erreichen. Es liegt aber auch noch ein Teil des Wegs vor uns.
Eine Ihrer Initiativen war die Plattform Startup-BW ins Leben zu rufen. Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden? Was ist dort noch geplant?
Start-up BW ist nicht nur ein Maßnahmenpaket, sondern in der Tat auch eine Plattform für unsere Partner. Baden-Württemberg zeichnet sich im Vergleich zu anderen Ländern durch viele einzelne regionale Start-up-Szenen aus, zum Beispiel in Metropolen wie Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg, Tübingen oder Ulm, aber auch in Städten wie Aalen, Offenburg, Niedereschach oder Tuttlingen. Mit der Plattform Start-up BW schaffen wir es, diese regionalen Szenen sichtbar zu machen, indem sie die elf regionalen Start-up-Ökosysteme im Land bündelt. Gerade an diesem Punkt müssen wir wieder verstärkt ansetzen, wenn wir die Pandemie überwunden haben und uns wieder stärker auf die Außendarstellung konzentrieren können.
Aktuell läuft der Wettbewerb des Wirtschaftsministeriums für den KI Park BaWü und das Land hat €50 Mio. Förderung in Aussicht gestellt. Wie werden Gründer und Startups von dem KI Park profitieren?
Mit dem Innovationspark haben wir eine echte Chance, ein KI-Ökosystem zu schaffen, in dem Innovationen entwickelt und umgesetzt werden. Im Wettbewerbsverfahren sind die Teilnehmer aufgefordert, ein inhaltliches Gesamtkonzept zu entwickeln, von dem nicht zuletzt auch Start-ups profitieren sollen. Wichtige Aspekte sind neben optimaler technologischer Infrastruktur und Testfeldern für KI auch die Anziehung von Investoren und Risikokapital. Im Ökosystem sollen Start-ups Zugang zu starken Kooperationspartnern aus Wirtschaft und Forschung vor Ort und weltweit bekommen. Auch die vorübergehende oder längerfristige Unterbringung soll mitgedacht werden. Der KI-Park soll ein inspirierendes Umfeld schaffen, um die Zukunft im Land maßgeblich mitzugestalten.
Corona hat uns nun schon mehr als ein Jahr im Griff – wie laufen die Unterstützungsprogramme für Startups und welches Feedback bekommen Sie aus der Startup Szene zur aktuellen Lage? Wird es weitere Unterstützung für Gründer geben?
Start-ups werden durch die Corona-Pandemie noch stärker als andere Unternehmen in eine schwierige Lage gebracht. Der Übergang vom Prototyp zum Markteintritt stellt für sie eine besondere Herausforderung dar und bedeutet schon unter normalen Bedingungen oftmals für viele gute Geschäftsideen das Ende. Durch die Pandemie verschärft sich die Situation. Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir vielversprechende Geschäftsmodelle in dieser Pandemie nicht verlieren. Wir haben daher schnell reagiert und konnten seit Juni 2020 bereits rund 100 krisengeschüttelte Start-ups mit dem Förderprogramm „Start-up BW Pro-Tect“ unterstützen. Bis Juni 2021 stehen hierfür 30 Millionen Euro bereit. Mit dem neuen Mezzanine-Beteiligungsprogramm steht uns auch die sogenannte Säule II der Hilfen der Bundesregierung, die zur Unterstützung von Start-ups und kleinen Mittelständlern zur Überwindung der Corona-Krise aufgelegt wurden, zur Verfügung. Von Landesseite stellen wir hierfür 50 Millionen Euro bereit, womit insgesamt bis zu 250 Millionen Euro an Finanzierungsvolumen bewegt werden können. Auch dieses Programm haben wir zum Jahreswechsel bis Ende Juni 2021 verlängert. Wir sind damit auf einem guten Weg, unsere Gründerinnen und Gründer bestmöglich durch die Krise zu bringen.
Sofern Sie der nächsten Landesregierung wieder als Wirtschaftsministerin angehören, worauf würden Sie sich am Anfang konzentrieren, um BaWü zur führenden Gründerregion Europas zu machen?
Es ist uns in dieser Legislatur gelungen, nahezu alle Partner und alle wesentlichen Angebote unter dem Dach von Start-up BW zu bündeln, ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg zu bringen und eine Community zu entwickeln. Klar ist aber auch, dass wir nur mit großer Kontinuität dieses Thema nachhaltig befördern können. Die Start-up BW Kampagne ist auf lange Sicht angelegt. Allein die rund 3.000 Teilnehmenden in den Start-up-BW-Acceleratoren zeigen, dass wir ein Momentum in Gang gesetzt haben, das es jetzt weiter in die Breite zu tragen gilt. Hier müssen wir ansetzen. Aber auch wenn das Land vieles unternimmt, eines möchte ich betonen: Erfolgreich wird dieses Unterfangen nur gemeinsam mit unseren Partnern. Nur gemeinsam und mit dem Engagement der Partner vor Ort schaffen wir eine neue Aufbruchsstimmung und Angebote, die nachhaltig wirken.
Vielen Dank für das Interview
Christoph Röscher, Vorstandsvorsitzender von Startup Stuttgart, ist Mitglied des Think Tanks.
Bilder: Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg