Gerade noch vor dem Startup Gipfel hatten wir die Möglichkeit die Wirtschaftsministerin von Baden-Württemberg für ein Interview zu gewinnen.
Frau Hoffmeister-Kraut ist in Balingen geboren und hat in Tübingen und Würzburg studiert. Sie verbrachte beruflich ein paar Jahre in London, bevor Sie zurück in Deutschland im eigenen Familienunternehmen tätig wurde.
Erst 2009 trat sie in die CDU ein und nach Gemeinderat und Kreistag wurde sie dann bereits 2016 Wirtschaftsministerin im „Ländle“. Startup, Gründerkultur und die Transformation der Wirtschaft in BW sind Themen die sie beschäftigen. Vor wenigen Monaten vebrachte sie mit Herrn Ministerpräsident Kretschmann und einer Delegation einige Tage in Israel um mehr über die Erfolgsfaktoren der Startup-Nation zu erfahren. Am 14. Juli soll auf dem Startup-Gipfel die Landeskampagne BW vorgestellt werden.
StaStu: Frau Ministerin, Sie sind ja noch nicht so lange in der Politik und dann in kürzester Zeit Wirtschaftsministerin in BaWü geworden. Wie ist es denn für Sie aus der Wirtschaft kommend?
Wirtschaftsministerin: Es war wirklich ein Start von 0 auf 100 – gerade für mich als Quereinsteigerin. Für mich ist es eine große Ehre und ich mache die Aufgabe sehr gern. Mit vielen Themen hatte ich ja auch schon in meinem früheren Berufsleben zu tun.
Wir haben im ersten Jahr auch schon vieles auf den Weg gebracht und erreicht. Sei es im Bereich Wohnungsbau, aber auch im Bereich der Digitalisierung und ich freue mich sehr auf unseren Startup-Gipfel am 14 Juli. Da werden wir neue Akzente für die Gründerszene setzen. Deswegen kann ich da heute noch nicht zu viel verraten, um die Spannung nicht vorweg zu nehmen.
StaStu: Was sind denn Ihre Erwartungen an den Gipfel? Wann ist es ein Erfolg?
Wirtschaftsministerin: Der Gipfel soll der Auftakt sein. Das große Thema: Wir müssen sichtbarer werden, um mehr Aufmerksamkeit zu erzielen. Wir müssen uns aber auch besser vernetzen. Ich denke, dafür setzt der Gipfel den ersten Meilenstein. Natürlich müssen wir das Thema Startup dann weiter auf diesem hohen Niveau vorantreiben.
Am Gipfel präsentieren sich die Gründerszene und viele Akteure, die sich in den unterschiedlichsten Bereichen in BaWü engagieren. Ich sehe es auch als eine unserer Hauptaufgaben, dass wir die Aktivitäten die im Land stattfinden – und es passiert ja schon viel – besser bündeln, Ansprechpartner definieren und Netzwerke aufbauen, damit hier noch mehr passiert. Das ist jetzt die große Aufgabe: Das Startup Land Baden-Württemberg besser aufzustellen, nach innen und nach außen.
StaStu: Das heißt aber auch, es wird nach dem Gipfel Folgeaktivitäten geben? Wenn wir zu unserem Nachbarland Bayern schauen, die sind z.B. auf vielen internationalen Events bereits heute präsent. Wird sich da BW zukünftig auch stärker international engagieren?
Wirtschaftsministerin: Absolut. Wir wollen auch international für den Standort werben, denn wir stehen ja auch im internationalen Wettbewerb. Nicht nur um Wagniskapital, sondern auch um die besten Ideen. Wir wollen auch Startups und Menschen nach BaWü holen, um ihre Ideen hier weiter zu entwickeln. Wir haben hier eine ganz großartige Ökosphere, wo man von vielen Bereichen profitieren kann. Und das ist das große Ziel und deswegen werden wir auch ganz bewusst die Internationalisierung weiter nach vorne treiben, unter anderem auch durch solche Events und Veranstaltungen, um dort BaWü zu präsentieren.
StaStu: Was sind denn aus Ihrer Sicht Stärken des BaWü Ökosystem?
Wirtschaftsministerin: Eine große Stärke ist, dass wir so eine starke Forschungsinfrastruktur haben, vor allem im Bereich der angewandten Forschung. Da sind wir so gut aufgestellt wie fast keine andere Region. Und das ist ja gerade für Startups wichtig, die neue Ideen generieren, Sparringspartner zu haben. Positiv ist sicherlich auch, dass auch aus den Forschungseinrichtungen selbst, im engen Austausch mit der Industrie, neue innovative Projekte entstehen. Das hat sich bewährt.
StaStu: Sind Sie zufrieden oder sollte da noch mehr herauskommen?
Wirtschaftsministerin: Wir sind da gerade in der Abstimmung mit Frau Bauer (Ministerin für Hochschulen, Forschungs- und Kunsteinrichtungen). Wir haben gute Forschungsinstitute und Hochschulen und wir werben auch an den Schulen. Das ist auch wichtig, um Unternehmertum und Gründergeist zu fördern. Deshalb unterstützen wir zum Beispiel so genannte Schüler– und Juniorenfirmen, die in vielen Schulen angeboten werden. Wir haben viele Aktivitäten.
Was ich mir in diesem Bereich noch wünsche ist, dass wir die Strukturen noch stringenter ausrichten. Das geht von Technologietransfer bis hin zu Startups und Gründerszene. Da passiert an der einen oder anderen Stelle viel, an der anderen noch nicht. Ich denke, da muss man ansetzen und Gespräche suchen.
Das hat mich in Israel so beeindruckt, dass die Technologietransferzentren haben und ganz stringent ausgerichtet an jeder Hochschule das gleiche System und da natürlich auch Zuständigkeiten definiert haben. Der Erste kümmert sich um die Ideengenerierung, der Nächste um die Weiterentwicklung, der Dritte kümmert sich um die Prototypenfertigung, der Vierte um die Vermarktung und der Fünfte um die Kapitalgewinnung und ich denke dieser Prozess muss bei uns noch besser strukturiert werden.
StaStu: In Israel hat man den klaren Anspruch globale Bestseller zu generieren? Ist das bei uns auch so?
Wirtschaftsministerin: Das ist in BaWü auch schon passiert (lacht) und passiert immer wieder. Da sind wir wirklich vorzeigbar.
Wir haben andere Rahmenbedingungen. Man kann uns nicht mit Israel oder dem Silicon Valley vergleichen. Das sind gewachsene Systeme. Wir haben auch unsere Stärken in BaWü. Der gewachsene Mittelstand, die starke Forschungsinfrastruktur. Wir sind natürlich eher im B2B Bereich stark, der häufig sehr kapitalintensiv ist. Wir haben aber auch ein Stück weit eine andere Mentalität, geprägt von langfristigem Denken. Man will ein Familienunternehmen gründen und nicht nach 2 Jahren den Exit – was ja auch für Nachhaltigkeit steht. Wir versuchen die Szene in allen Bereichen zu unterstützen und wir sehen das natürlich auch unter dem Aspekt Arbeitsplätze der Zukunft und Beschäftigung zu sichern und damit langfristig auch den Wohlstand in BaWü.
Ich bin überzeugt, wir können noch mehr marktreife Produkte generieren, Startups und Gründer unterstützen, wenn wir noch bessere Strukturen schaffen.
StaStu: Forschung ist das eine, aber vermarktbare Produkte das andere…
Wirtschaftsministerin: Genau, das ist absolut nicht das Gleiche. Deswegen muss man hier in den engen Austausch gehen. Da gibt es aber natürlich keine Blaupause. Aber wir haben die Kompetenz, wir haben die Menschen, wir haben das Engagement. Es ist möglich und wir haben ja z.B. auch das Cyberforum in Karlsruhe als gutes Beispiel.
StaStu: Karlsruhe ist ein gutes Stichwort, wir haben auch unsere Mitglieder gefragt, was würdet ihr gerne von der Ministerin wissen? Da kam dann z.B. die Frage: Wie sehen Sie denn Stuttgart?
Wirtschaftsministerin: Ich sehe in Stuttgart viele Aktivitäten wie z.B. Startup Stuttgart als eingetragener Verein und es gibt hier auch viele Persönlichkeiten, die sich hier engagieren, die auf ein starkes Netzwerk zurückgreifen können. Und allein aus dieser Trägerschaft entsteht schon viel. Ich weiß auch von einigen Konzepten, die derzeit in Stuttgart entwickelt werden und das sind auch Projekte, die ich als Wirtschaftsministerin unterstütze.
StaStu: Mannheim ist ja auch sehr aktiv: allein 8 städtische Gründungszentren.
Wirtschaftsministerin: Da kann man sicherlich mal in den Austausch gehen. Mannheim ist natürlich auch in einer besonderen Situation gewesen durch den starken Strukturwandel. Aber die sind jetzt gut aufgestellt. Da muss man in Stuttgart auch etwas an die Zukunft denken und da stehen wir auch vor einigen Herausforderungen.
Ich war jetzt vor kurzem erst in Ulm, die haben schon lange mit dem Technologieförderungsunternehmen TFU ein Innovations- und Gründerzentrum und seit neuestem das Verschwörhaus, ein Experimentierfeld für Digitales. Da passiert viel und ich weiß, dass auch hier in Stuttgart schon viel läuft und weitere Konzepte in der Pipeline sind.
Ich war auch in Singapur und dieser Blk71 hat mich sehr beeindruckt. Die haben da wirklich einen richtigen Schmelztiegel geschaffen, da sind die Unternehmen direkt gegenüber vom Gründungszentrum.
Sie haben mich vorhin nach den Standortfaktoren BaWü gefragt. Unser starker Mittelstand, die vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die auch in den verschiedensten Branchen stark aufgestellt sind und viele Weltmarktführer. Da haben wir die Möglichkeit, Partnerschaften einzugehen. Das können nur wenig Regionen auf dieser Welt bieten. Das ist ein absolutes Asset, was wie hier haben und das hat sich auch ganz klar in Israel gezeigt, wo ja sehr viel im Hightech–Bereich geforscht und entwickelt wird. Die haben uns gesagt: „Wir brauchen jetzt strategische Partnerschaften“.
StaStu: Machen denn Firmen schon genug aus Ihrer Sicht?
Wirtschaftsministerin: Da hat eine enorme Dynamik eingesetzt. Aber natürlich unterstützen wir das auch. Ganz besonders im Fokus haben wir, die Vernetzung voranzutreiben. Wobei die großen Konzerne schon sehr aktiv sind. Daimler hat die Startup Autobahn gegründet, aber auch Bosch ist ja schon lange in der Startup-Welt aktiv. Unser Anspruch muss sein, dass wir auch als BaWü auf dieser Weltkarte der Startup Ökosysteme erscheinen.
StaStu: Eine erfolgreiche Gründerszene, braucht Kapital, Hochschulen, usw. und vor allem braucht es die Gründer, die bereit sind, das Risiko einzugehen. Und gerade hier in der Region, wo es relativ leicht ist zu den großen Firmen zu gehen anstatt zu gründen, gibt es eine Frage von einem Mitglied, ob es denn Überlegungen gibt, das Gründen einfacher zu machen, bzw. da das persönliche Risiko zu reduzieren
Wirtschaftsministerin: Das sind natürlich auch Themen, an denen wir dran sind, wobei viele Zuständigkeiten hier beim Bund liegen. Z.B: steuerliche Erleichterungen, man hat ja jetzt auch für Investoren die Abschreibungsmöglichkeiten erweitert für Investitionen in Startups. Das ist zumindest mal ein erster Schritt, den wir in Deutschland gemacht haben ebenso wie die Möglichkeit, bei der Körperschaftsteuer den Verlustvortrag abzuziehen. Das denke ich ist ein erster Schritt und bei anderen Themen sind wir natürlich immer dabei zu überlegen, wie wir da nachsteuern können. Aber ich meine, dass das Geld bei uns im Augenblick nicht das Hauptthema ist. Es ist gerade sehr viel Wagniskapital am Markt.
Wir müssen schauen, dass wir das vorhandene Potential, das bei uns ist, besser nutzen, dass wir Strukturen schaffen, um den Gründergeist, der hier vorhanden ist, wieder verstärkt zu unterstützen. Wir sind immerhin das Land der Tüftler.
In Sachen Vernetzung passiert bereits einiges im Land und ich bin überzeugt, dass der Startup Gipfel ein ganz wichtiger weiterer Schritt ist. Die Freiburger wissen vielleicht nicht, was man in Mannheim macht, die Tübinger nicht, was in Stuttgart geht. Wir wollen die Szenen noch besser miteinander vernetzen.
StaStu: Wir beobachten und treiben nun seit einigen Jahren die Startupszene und wir merken, dass die Dynamik und das Interesse daran deutlich gestiegen ist. Bezogen auf die Landesregierung scheint es auch so, dass sich so viele Leute wie noch nie um Digitalisierung, Startup und Innovation kümmern. Ist das so? Wäre es sinnvoll einen „Überkoordinierer“ zu haben?
Wirtschaftsministerin: Für die Gründerszene und Startups bin ganz klar ich verantwortlich. Im Bereich Technologietransfer aus der Hochschulen heraus sind natürlich die Hochschulen gefordert und das Wissenschaftsministerium, das da aber schon sehr aktiv ist.
StaStu: Haben Sie einen Wunsch an die Gründerszene?
Wirtschaftsministerin: Mein Wunsch an die Gründerszene ist, dass wir ganz offen und ehrlich gemeinsam in den Austausch gehen. Dass wir hier wirklich eng zusammen arbeiten und das passiert ja langsam auch wie z.B. bei den Digital Hubs oder Startup Stuttgart gemeinsam mit der Börse Stuttgart.
Und dann wüsche ich mir auch, dass die Szene diese Startup-Kultur vorlebt, die in Deutschland und auch in BaWü intensiviert werden muss. Wir sind ja sehr stark Perfektionisten. Aber man muss auch einfach mal anfangen mit einem Thema und das dann voranbringen und dann auch den Mut haben, mal mit einer unfertigen Lösung voranzugehen. Manchmal ist man eben erst im dritten Anlauf erfolgreich. Diese Kultur des Scheiterns braucht mehr Akzeptanz. Da denke ich, müssen wir auch in der Gesellschaft mehr dafür werben und da bin ich natürlich auch auf die Gründerszene angewiesen. Das ist ganz wichtig.
Und natürlich wünsche ich mir, dass auch speziell in den Zukunftsthemen noch mehr passiert. Bei der Startup Autobahn von Daimler wurden jetzt 13 Startups eingeladen und wieviel waren aus BaWü? Noch zu wenig! Klar, wir haben hier hochattraktive Arbeitsplätze, eine starke industrielle Basis. Das sind andererseits natürlich auch große Assets, die wir hier in BW haben, das hat Israel z.B. nicht. Deswegen ist das auch eine ganz andere Struktur und ein anderes System. Dennoch sehen ich ein großes Potential.
StaStu: Das sehen wir auch. Vielen Dank für das Gespräch und wir würden uns freuen, Sie mal beim Gründergrillen zu sehen.
Wirtschaftsministerin: Vielleicht klappt es sogar schon, dass ich abends beim Start-up-Gipfel noch dabei bin.
Interview von Christoph Röscher (Startup Stuttgart e.V.)