Synapticon, ein dynamisches, internationales Startup aus der Region Stuttgart, mit weiteren Niederlassungen in Kalifornien und Serbien, entwickelt Soft- und Hardware, die dafür sorgt, dass bisher isolierte und statische Komponenten wie Elektromotoren, Sensoren und andere Geräte miteinander kommunizieren. Startup Stuttgart hat mit einem der Gründer, Nikolai Ensslen, über Meilensteine, Learnings und Bedingungen für Startups in der Region gesprochen.
Startup Stuttgart: Könnt ihr euch einmal kurz vorstellen? Was genau macht Synapticon? So dass es wirklich jeder versteht. Was macht euch gegenüber anderen Einzigartig?
Nikolai Ensslen: Zunächst kurz zu den Gründern. Ursprünglich waren wir ein Trio und kannten uns über die Uni schon privat. Alle drei brachten verschiedene Kompetenzen mit: Maschinenbau, Informatik und Elektronik. Wir hatten uns damals die Industrie angeschaut und festgestellt, dass es zwar seit vielen Jahren schon Roboter in der Industrie und auch in Privathaushalten gab, dass aber der richtig große Durchbruch noch auf sich warten ließ. Also haben wir uns mit dem Thema noch genauer beschäftig um herauszufinden, wo speziell bei den Robotik-Herstellern der Schuh drückt. Dabei fanden wir heraus, dass es zur Planung und Entwicklung eines Roboters vor allem die Steuerung große Herausforderungen mit sich bringt. Hier müssen Komponenten verschiedener Hersteller kombiniert werden, die Software machte Schwierigkeiten, die Kosten waren zu hoch, es fehlten Standards und die Entwicklung war sehr aufwändig. Außerdem waren die zentralen Steuerungssysteme meist klobige PCs und Servoregler, die über viele Kabel mit den Robotern verbunden waren. Und nicht zuletzt war auch der Transfer von Prototypen in die Serienfertigung oft extrem langwierig und teuer. Es gab also viele Blockaden, die eine schnellere Ausbreitung von Robotern verhinderten. Diese Hürden helfen wir zu überwinden, in dem wir einen Bausatz aus Hard- und Software entwickelt haben, der alle diese Herausforderungen meistert.
Startup Stuttgart:Bei euch tut sich viel in letzter Zeit, vor einigen Monaten wurde eine umfangreiche Kapitalerhöhung bekannt, ihr habt eure Struktur neu geordnet, Fokus Themen definiert und euch auch personell deutlich verstärkt. In einem Interview mit der StZ habt ihr einmal den Anspruch geäußert „Synapticon wolle für die Robotik das werden, was Intel für die Computer ist“ (siehe Stuttgarter Zeitung, Artikel vom 03.12.2016). Was habt ihr euch für die Zukunft vorgenommen um dieses Ziel zu erreichen? Habt ihr Tipps für andere Startups was die Suche von Investoren betrifft?
Bei uns geht es nun vor allem darum neue Strukturen in der Firma umzusetzen und diese zu leben. In den ersten Jahren waren viele im Team voll und ganz darauf fixiert immer wieder neues auszuprobieren, arbeiteten auf Zuruf und waren oft gleichzeitig an viele Baustellen aktiv. Auch in der Entwicklung waren wir sehr offen und haben oft versucht herauszufinden, was möglich ist, haben für Kunden sehr unterschiedliche Dinge gemacht. Nun aber müssen, wollen und werden wir zielgerichteter und strategischer arbeiten – auch intern. Wir werden unsere Produkte und Services klarer kategorisieren und standardisieren sowie die Organisation nach einem festen Plan aufbauen. Dazu gehört vor allem auch, dass wir jetzt vermehrt Mitarbeiter für die Bereiche Sales und Support einstellen..
In Sachen Investorensuche raten wir einerseits zu Selbstbewusstsein und andererseits dazu sich selbst vor allem aus wirtschaftlicher Sicht zu hinterfragen. Es sollte Gründern klar sein, dass eine kreative Idee noch lange kein attraktives Investment sein muss. Wer Investoren nicht in einem Satz erklären kann, welche Probleme er löst und warum viele dazu bereit sind, dafür zu bezahlen, der sollte sich nochmals Gedanken machen. Außerdem rate ich dringend zum Blick über den Tellerrand, über die eigene Region hinaus. In Deutschland sind es schon München und Berlin, wo die spannenden Ansprechpartner unterwegs sind, und natürlich im Silicon Valley und Tel Aviv. Aber auch aus Fernost kommt immer besser zugängliches Risikokapital, in der Ecke Shenzhen/Hong Kong trifft man z.B. auf interessante Kontakte. Sitzt nicht daheim und stellt Förderanträge, sondern seid unterwegs und netzwerkt global, das bringt euch weiter.
Startup Stuttgart: Zu Beginn des Jahres habt ihr euren Firmensitz von der Schwäbischen Alb in den Raum Stuttgart verlagert. Warum Stuttgart? Warum nicht gleich in die großen Startup Zentren wie z.B. das Silicon Valley – wo ihr ebenfalls eine Außenstelle besitzt?
Nun, zunächst die offensichtlichste Erklärung: Mit 40 Leuten zieht man mal nicht so schnell über den Großen Teich. Daneben aber gibt es auch andere Gründe. So ist für uns der Standort Stuttgart – trotz einiger Defizite – sehr attraktiv. Wir haben hier wichtige Kunden, Entwicklungspartner und Interessenten sowie eine passable Infrastruktur. Zudem ist Stuttgart in unserer Branche fast schon eine Marke, die einen eigenen Wert hat. Und nicht zuletzt gibt es auch eine gewisse Heimatverbundenheit, die ich nicht abstreiten will.
Im Moment erfüllt unsere Außenstelle im Silicon Valley seine Aufgaben so gut, dass ein Umzug des Hauptquartiers nicht zu Diskussion steht.
Startup Stuttgart: Seit 7 Jahren gibt es Synapticon nun bereits. Rückblickend betrachtet, was waren für euch die wichtigsten Learnings? Würdet ihr bei einer erneuten Gründung manche Dinge anders angehen?
Hier muss ich ganz klar zugeben, dass ich eine Aufgabe wirklich unterschätzt habe: das Recruiting bzw. den gesamten Themenkomplex rund um Human Resources. Hier würde ich jedem raten sehr früh eine klare Strategie zu verfolgen anspruchsvoll zu sein.. Bauchgefühl und Menschenkenntnis sind sicher viel wert, aber HR ist ein wesentlich komplexeres und strategischeres Thema, als ich zunächst dachte.
Punkt zwei ist die frühe Festlegung der anvisierten Finanzierungsstrategie. Auch da sind wir anfangs etwas herumlaviert und waren unentschlossen: Bootstrapping und organisches Wachstum oder doch den Schalter auf Finanzierung durch Investoren? Diese Frage haben wir nicht wirklich eindeutig geklärt und sind eine ganze Zeit lang zweigleisig gefahren, was ich im Rückblick kritisch sehe. Ich rate auch da zu einer klaren Strategie.
Generell: Eine Entscheidung ist immer besser als keine Entscheidung, selbst wenn sich später rausstellt, man hätte sie besser treffen können. Der Zustand mit keiner klaren Entscheidung ist auf jeden Fall die schlechteste Option.
Startup Stuttgart: Mit Oshra Rodav-Orpaz habt ihr euch ganz aktuell personell in Form einer COO Unterstützung aus Tel Aviv an Bord geholt. Viele sehen die Region um Tel Aviv als das neue Silicon Valley. Was erhofft ihr euch durch die neue Zusammenarbeit? Ist ein weiterer Standort für euch in Israel denkbar?
Denkbar ist ein Standort in Tel Aviv auf jeden Fall. Dort gibt es viele spannende Unternehmen, das Thema „Robotik“ und „Technologie“ im Allgemeinen hat einen hohen Stellenwert und es gibt eine Vielzahl hervorragend qualifizierte Mitarbeiter. Außerdem ist die Gründer-Mentalität dort sehr stark ausgeprägt – da erscheint unsere Region doch eher als konservativ und bedächtig. Es spräche also vieles dafür.
Oshra haben wir jedoch nicht unbedingt wegen ihrer Herkunft an Bord geholt. Vielmehr bringt sie Eigenschaften und Erfahrungen mit, die für uns im nächsten Wachstumsschritt unverzichtbar sind. Sie hat in ihrer Zeit beim IT-Sicherheitsunternehmen Checkpoint in Israel ein sehr erfolgreich und extrem effektiv arbeitendes Unternehmen mit 4000 Leuten dabei begleitet international zu wachsen und dieses Wachstum in Bahnen zu lenken. Genau das brauchen wir jetzt. Außerdem denkt sie sehr strategisch und hat ein Talent dafür, die Ressourcen im Unternehmen bestmöglich zu koordinieren und zu nutzen. Dafür braucht man Erfahrung, eine entsprechende Qualifikation und Geschick: All das bringt sie mit. Zudem hat sie als Kollegin aus dem Ausland sicher auch ein sehr gutes Gespür für die Situation unserer vielen jungen ausländischen Mitarbeiter, die wir in den letzten Monaten nach Stuttgart locken konnten.
Startup Stuttgart: Es gibt immer wieder Diskussionen in der Szene über die „Bedingungen“ für Startups in der Region Stuttgart. Was sind eure Erfahrungen bisher? Würdet ihr noch einmal hier gründen?
Das Bild, das Stuttgart hier abgibt, ist ein gemischtes. Die Firmen hier stehen für Solidität, Qualität und zu einem gewissen Grad auch für Innovationen. In Stuttgart werden nicht so sehr Startups, eher schlicht direkt ernste Unternehmen gegründet. Das ist an sich eine gute Sache. Nur sind Risikobereitschaft, Offenheit für grundlegend neue Entwicklungen, wirtschaftlich-technologische Dynamik und groß zu denken nun nicht unbedingt die Eigenschaften, welche die Region und die hiesigen Unternehmen auszeichnen. Die geringe Risikobereitschaft wirkt sich auch auf die hiesige Investorenszene aus. Zudem hat Stuttgart als Metropole einfach noch nicht einen Charakter wie Berlin oder München, wo hohe Einsatzbereitschaft und ein attraktiver Lifestyle Hand in Hand gehen (work hard party hard). Dies sind allesamt keine unlösbaren Probleme und einige davon sind eventuell auch nur eine Frage der Außendarstellung, aber sie müssen angegangen werden, wenn aus Stuttgart wirklich wieder Erfindungen und Unternehmen von Weltrang kommen sollen. Es wird definitiv Zeit für einen neuen Daimler, Bosch oder Porsche.
Startup Stuttgart: Was sollte eurer Meinung nach in der Region geschehen um Hightech-Gründungen zu erleichtern?
Nun, also ich würde im ersten Schritt einen Blick auf die Situation in München wagen, wo anders als in Berlin viel mit Hardware passiert, die Interessen liegen also ähnlicher wie in der Stuttgarter Welt. Hier wurde und wird vieles richtig gemacht, vor allem wenn es darum geht, wie die Hochschulen dazu beitragen, dass immer wieder sehr spannende neue Firmen entstehen. TUM und LMU arbeiten dabei zudem gut zusammen: technische treffen auf wirtschaftliche Ambitionen. Als Absolvent möchte man heute dort entweder selbst eine Firma gründen oder aber in einem Startup arbeiten. In Stuttgart geht der Großteil noch klar in die Konzerne. Zudem gibt es in München eine Vielzahl ansässiger VC Gesellschaften, in Stuttgart sind es wenn man großzügig zählt drei.
Startup Stuttgart: Derzeit gibt es einiges an Bewegung in der Startup Szene in Baden-Württemberg u.a. hat die Landesregierung das Thema höher auf die Agenda geschoben. Am 14. Juli wird es den Startup-Gipfel BW (http://startup-stuttgart.de/startup-gipfel-baden-wuerttemberg/) geben, bei dem ihr ebenfalls präsent sein werdet, wie uns zu Ohren gekommen ist. Was würdet ihr dort dem Ministerpräsidenten und der Wirtschaftsministerin sagen, mit dem Ziel die Bedingungen für Gründer wie euch zu verbessern/ erleichtern?
Mein Wunsch an den Staat lautet: Weniger Staat. Das mag zunächst paradox klingen, da auch wir von staatlicher Unterstützung direkt und indirekt profitiert haben. Unterm Strich aber muss ich dennoch sagen, dass die Unterstützung und die Förderung durch die Privatwirtschaft für uns der größere Gewinn war. Praktiker können wesentlich besser beurteilen, wo es im Argen liegt, was zu tun ist und welchen Weg man einschlagen muss. Ich würde mir so gesehen wünschen, dass der Staat den Austausch zwischen Unternehmen fördert und Plattformen zu Vernetzung fördert ohne sich dabei selbst zu sehr einzubringen. Ähnlich sehe ich das auch mit der Finanzierung. Klar, staatlicher Fördertöpfe sind auf den ersten Blick toll, aber weder vom Volumen her noch vom Grundgedanken her effizient. Ich wünsche mir ein Modell des israelischen Angel Laws, bei dem Menschen, die ihr Vermögen in Startups investieren, steuerlich entlastet werden. Davon würde ich mir einen immensen Schub versprechen.
Startup Stuttgart: Zum Schluss, sucht ihr aktuell Mitarbeiter? Wer soll sich bei euch melden?
Wir suchen ständig Embedded Hard- und Softwareentwickler und derzeit insbesondere Applikations- und Vertriebsingenieure. Dazu kommen Regelungstechniker, von denen wir dringend mehr benötigen. Darüber hinaus suchen wir Fachleute in der Robotik-bezogenen künstlichen Intelligenz, das heißt vor allem auch mit Kenntnissen und praktischen Erfahrungen in Maschine Vision und Deep Learning. In all diesen Bereichen brauchen wir sowohl erfahrene Kandidaten als auch Absolventen, die neugierige sind und Lust auf „Learning by Doing“ haben, denn bei Synapticon betreten wir fast täglich Neuland.
Startup Stuttgart:Vielen Dank für die Zeit und das ausführliche Interview!
Synapticon wird auch am Startup Gipfel am 14. Juli auf der Landesmesse vor Ort sein.
Interview von Franziska Müller (Startup Stuttgart e.V.)