Südlich von Stuttgart in Ehningen, liegt das Landhaus Feckl. Ein 1-Sterne Restaurant mit angeschlossenem Hotel, Apartments, Veranstaltungsflächen und einer Kochschule. Eine denkbar schlechte Kombination während der Pandemie. Wie die gesamte Branche ist auch dieser Betrieb von den Auswirkungen betroffen.
Mit Beginn im ersten Lockdown Ostern 2020 wurde ein neues Geschäftsmodell ausprobiert: wechselnde Gerichte auf Sterne-Niveau zum Abholen. Die Essen werden von Franz Feckl mit seinem Team speziell dafür entwickelt und für den Gast vorbereitet und „vorgekocht“. Der Kunde muss nur die letzten Koch-Handgriffe erledigen, um das Essen zu genießen.
Wir haben uns mit Franz Feckl, der gemeinsam mit seiner Frau Manuela den Betrieb leitet, getroffen, um über die Pandemie zu sprechen. Franz kommt ursprünglich aus Oberbayern, aus einem kleinen Dorf in der Nähe vom Mühldorf am Inn. Seine Eltern hatten eine kleine Gastwirtschaft. Er wäre gerne Profifußballer geworden, sein Vater entschied aber, dass er stattdessen mit 15 eine Kochlehre anfängt.
Beruflichen trieb es ihn zu Stationen in die Schweiz, zu Heinz Winkler, zu Eckart Witzigmann ins Tantris, 1981 wurde er Küchenchef im Hotel Walter’s Hof auf Sylt, wo er auch seine zukünftige Ehefrau kennenlernte. Gemeinsam pachteten sie das Schloss Höfingen bei Leonberg, bevor sie September 2000 ihren Betrieb in Ehningen eröffneten.
Seit rund 34 Jahren hält er durchgehend seinen Michelin Stern und er hat über 150 Lehrlinge ausgebildet. Besonders Stolz ist er auf seine Azubi Johanna Altmann, die in 2020 die beste Kochauszubildende in ganz Deutschland war. Zu seinen ehemaligen Azubis gehört unter anderem Anton Schmaus, Chefkoch der Fußballnationalmannschaft und 1-Sternekoch in Regensburg.
Startup Stuttgart: Hallo Herr Feckl, wir sind hier etwas abseits von Stuttgart, wie kommt man dazu, in Ehningen ein Sternerestaurant zu eröffnen?
Franz Feckl: Das ist eine längere Geschichte. Nachdem meine Frau und ich uns auf Sylt kennengelernt und 1985 geheiratet hatten, wollten wir uns selbstständig machen. Wir haben bei Brauereien nach verfügbaren Betrieben angefragt und da wurde uns das Schloss Höfingen in Leonberg angeboten. Wir haben das dann 15 Jahre geführt. Ein guter Gast und Freund hat uns auf die Möglichkeit, ein Restaurant in Ehningen zu eröffnen, aufmerksam gemacht. Nachdem wir uns dazu entschieden hatten, diesen Schritt zu gehen, wurde in Ehningen der neue Betrieb gebaut, während wir noch Schloß Höfingen führten. Es war irre. Am 15. September 2000 haben dann alle Mitarbeiter vom Schloss Höfingen, inklusive der Spülfrau, in Ehningen angefangen.
Es war wie ein Sechser im Lotto, zumindest die ersten 8 Jahre. Irgendwann hatte ich 18 Köche, wir haben geackert und viel riskiert. Wir haben bis zu 150 Gäste auf Sterne-Niveau bedient, da gibt es nicht viele Betriebe, die das konnten. Allerdings kam die Weltwirtschaftskrise und damit waren dann erst mal alles Geschäftsessen weg.
Die Kunden von den großen Konzernen aus der Region, Daimler, HP, IBM usw. kamen nicht mehr. Die Jahre 2008 bis 2011 waren hart. Wir mussten uns umstellen, mehr Fokus auf Privatkunden, was aber sehr gut funktionierte. Und jetzt sind wir in die nächste Katastrophe reingeschlittert, wie alle meine Kollegen auch.
Startup Stuttgart: Nun sind wir rund ein Jahr in der Pandemie und die Gastronomie und Hotellerie gehört sicherlich zu dem am härtesten getroffenen Branchen.
Franz Feckl: Also, sorry, ich hoffe ich darf ganz ehrlich sein. Ich bin schon echt angefressen, dass das nicht besser läuft. Am Anfang war es für alle gleich schlimm und da habe ich auch viel Verständnis für die Regierung gehabt, was die so machen. Und wir haben uns alle beruhigt und gesagt, es geht nicht anders. Aber der zweite Lockdown seit November! Da muss ich sagen „Hallo!“, die haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Die haben den Sommer verstreichen lassen. Die haben zwar immer von einer zweiten Welle gesprochen, waren aber nicht vorbereitet. Und jetzt?! Was da läuft, ist einfach unfassbar. Unfassbar. In den Baumärkten und den Einkaufszentren laufen die Leute rum. Es freut mich für jeden, der sein Geschäft betreibt und aufmachen kann, ehrlich. Aber schauen Sie sich um, wir haben hohe Räume, Tische auseinandergezogen, wir haben ein Hygienekonzept. Nein, die Gastro war und ist nicht der Verursacher.
Startup Stuttgart: Was halten Sie von den staatlichen Hilfen?
Franz Feckl: Ja, es gibt staatliche Hilfen und Soforthilfen. Wir mussten auf die Auszahlung warten. Irgendwann waren wir so im Minus, ich musste zur Bank gehen und Geld leihen und das muss ich in meinem Alter auch wieder zurückzahlen.
Startup Stuttgart: Viele Spitzengastronomen in der Region haben komplett zu, sie gehören zu den Wenigen, die versuchen, mit neuen Konzepten durch die Pandemie zu kommen.
Franz Feckl: Not macht erfinderisch. Mein Sohn Julian arbeitet in einem Food-Startup und irgendwann am Anfang der Pandemie hat er gesagt „Papa, willst du jetzt nur die Füße stillhalten? Wollen wir was machen?“.
Wir haben dann mit meiner Frau und meinen erfahrenen Köchen gebrainstormt. Die Idee: Sterneküche für zu Hause. Wir haben top Produkte, bereiten alles professionell vor und der Gast bekommt die Gerichte in Essenspaketen zu 95% fertig und muss nur die letzten Handgriffe daheim machen.
Meine Frau hat Kunden über Whatsapp über das Angebot informiert und die haben dann wieder gefragt, ob sie es ihren Freunden weiterleiten dürfen! Ostern 2020 haben wir die ersten Essenspakete vorbereitet. Und wie viele! Es war unvorstellbar! Es war ein großer Erfolg und diesen Umsatz haben wir schon ganz gut gebrauchen können. Es ging uns aber auch darum, mit den Gästen während der Pandemie in Kontakt zu bleiben.
Durch dieses neue Geschäft konnte ich meine Köche endlich wieder aus der Kurzarbeit holen. Es bleibt ja auch keiner gerne zu Haus, um Däumchen zu drehen. Das gesamte Team freut sich echt wieder arbeiten zu können und es bleibt auch mehr Kohle für sie am Ende des Monats. Ich bin nicht der Daimler, der 98% bezahlen kann. Also wir haben das schon brauchen können. Im Service haben wir leider bereits Fachkräfte verloren, die jetzt zum Beispiel im Krankenhaus am Empfang arbeiten.
Startup Stuttgart: Sind Sie froh, diesen Weg gefunden zu haben?
Franz Feckl: Ich bin doch kein Almosenempfänger. Ich möchte arbeiten und bin froh über diesen Weg. Und mein guter Musikerfreund Clemens König, der erzählt von seinen Bekannten, super Musiker, die jetzt im Supermarkt Regale einräumen.
Startup Stuttgart: Wie schwierig ist es, Sterneküche über diesen neuen Vertriebsweg zu verkaufen?
Franz Feckl: Es geht nicht mit jedem Gericht. Fisch ist schwierig. Wir probieren vorher alles aus, wie kommt es beim Gast an, welche Schritte gibt es zu tun und wir lernen auch kontinuierlich dazu. Jedes Gericht hat jetzt eine Farbe in der Kochanleitung. Die Zutatenverpackungen sind entsprechend farblich markiert, damit der Kunde diese schneller bei der Zubereitung findet. Die Kochanleitung legen wir jetzt immer schon in die Kochbox, nicht jeder Gast konnte die daheim ausdrucken. Beim Rostbraten, der zuerst aufgewärmt, bevor er in der Pfanne nachgebraten werden muss, schreiben wir zum Beispiel „im heißen Leitungswasser“ erwärmen. Die Gefahr war zu groß, dass Wasser vom Wasserkocher zu heiß wäre und der Rostbraten komplett durchgegart wird.
Wir mussten auch unsere Endkontrolle beim Verpacken der Pakete kontinuierlich verbessern, wir sind jetzt bei einer Dreifachkontrolle. Wenn eine Zutat beim Gast fehlt, ist das sehr ärgerlich. Inzwischen haben wir aber fast keine Reklamationen mehr.
Mein Sohn hat sich mit der Bestellsoftware auseinandergesetzt und uns ein kleines Fotostudio eingerichtet. Ich sehe, dass diese neue Aufgabe meinem Team Spaß macht. Die Essen zu fotografieren, die Texte für die Kochanleitung zu schreiben, die Webseite zu pflegen. Das entwickelt sich so im Team und die jungen Köche müssen damit auch umgehen können, ich kann das nicht.
Startup Stuttgart: Werden Sie nach der Pandemie mit dem Konzept weitermachen?
Franz Feckl: Ja, auf alle Fälle. Wir haben jetzt schon Gäste, die jede Woche ihre acht Portionen Spätzle holen *lacht* wir haben aber auch festgestellt, dass wir neue Kunden gewonnen haben. Es ist also auf jeden Fall ein schönes Zusatzgeschäft und wenn wir perspektivisch wieder samstags 40-60 Gäste im Restaurant empfangen können und zusätzlich 30-40 Kochpakete vorbereiten müssen, brauche ich wieder ein paar Köche mehr.
Unser Plan ist es, auch den Shop auszubauen. Irgendwann gibt es unsere Hummersuppe im Glas, die Pfeffermischung oder meinen Kalbsfonds. Also, wir haben da noch ein paar Ideen.
Startup Stuttgart: Was möchten Sie an ihrem Konzept noch verbessern?
Franz Feckl: Ich würde gerne von dem Müllberg wegkommen. Wir haben lauter Einzelportionen, was für unsere Logistik und Vorbereitung gut ist. Aber der Müllberg beim Gast muss kleiner werden. Es ist nicht zeitgemäß. Mein Sohn hat durchgesetzt, dass wir teure Verpackungen einsetzen, die recycel- und kompostierbar sind.
Startup Stuttgart: Auf welche Gerichte kann man sich aktuell freuen und was ist denn ihr Leibgericht?
Franz Feckl: Wir haben gerade das Oster-Kochpaket mit Spargel und Lamm auf die Webseite genommen. Lecker ist auch unsere Bouillabaisse von Edelfischen oder etwas ganz Feines – eine Roulade von der Maispoularde in Pommery-Estragon-Sauce.
Ich esse gerne einfach ein Wiener Schnitzel und einen geilen Kartoffelsalat dazu. Oder einen Schweinsbraten, einer mit dieser Kruste, das gibt es kaum noch. Denn je einfacher, desto besser ist es oft. Weil einfach weniger, oft mehr ist. Und das kriegst du erst im Laufe der Zeit raus.
Startup Stuttgart: Eine Frage zum Schluss, wie sind Sie und ihre Frau, als Bayern inzwischen in Schwaben angekommen?
Franz Feckl: Sehr gut. Also das Geschäft, was wir machen, da möchte ich nicht in Bayern sein. Also in München hätten wir es toll, aber ich kenne die Gastronomie auf dem Land in Bayern. Wir wissen, was es heißt, da Gastronomie zu machen. Da möchte man den Schweinsbraten immer noch für unter 10 Euro und der muss links und rechts vom Tellerrand ragen. Hier ist es schon ein anderes Essensniveau, eine andere Essenskultur. Und deswegen fühlen wir uns hier auch sehr wohl. Und ich sage immer: den Schwaben, wenn du den mal hast, ist das ein sehr treuer Gast. Natürlich ist der Anspruch auch hoch, aber das ist ja in Ordnung. Ich habe ja auch einen Anspruch an mich selber, dass es super sein muss.
Startup Stuttgart: Vielen Dank für das Gespräch.
Text: Christoph Röscher
Fotos: Landhaus Feckl – teilweise von vor der Corona Pandemie